Kleines Keiko aber oho

Juli 3, 2007

Keiko ist das oft gebrauchte japanische Wort für Training. Es steht hier allerdings nicht für das rein körperliche Trainieren (das wäre Renshu, dies wird aber in den Künsten, die einem Weg (Do) folgen, wenig benutzt), sondern vielmehr dafür, dass dabei „Technik, Energie und Geist zusammenkommen“ und eins werden sollen. Keiko heißt übersetzt auch „die Handlung überdenken“. Das trifft meiner Meinung nach sehr gut, wie man trainieren (und vielleicht auch wie man Training geben) sollte.

Gestern waren wir nur zu sechst auf der Matte, ein kleines, ruhiges Training, aber sehr intensiv, wie ich fand. Jules und ich konnten beide nicht mittrainieren und so gab es für die Trainierenden jede Menge Aufmerksamkeit und Korrektur von beiden Seiten.

Für mich persönlich war es genau das, was Keiko besagt – nämlich ein Training in dem ich viele Dinge überdacht habe. Auf verschiedenen Ebenen. Technisch hatte ich gestern Gelegenheit, mehr über diverse Aspekte nachzudenken, die ich am Wochenende bei Subileau gelernt oder zumindest gesehen habe und die mir dort beim Zusehen durch den Kopf gingen. So konnte ich zum Beispiel gestern mein Verständnis von Kontakt und dessen Bedeutung bzw Wichtigkeit weiter ausbauen – ein Thema das mich generell in der letzten Zeit oft beschäftigt. Kontakt ist das, was mich dazu befähigt, meinen Angreifer zu spüren. Kontakt hilft mir dabei, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wo die Technik lang geht und wo nicht, ob ich die richtige Maai habe oder nicht, ob ich mit Kraft arbeite oder die Kraft aus dem Boden und meinem Zentrum hole oder nicht. Ohne Kontakt kein Aikido und schon gar kein „Lernen“ des Aikido. Kontakt kann ich aber nur dann lernen, wenn Uke dazu in der Lage ist, mir Kontakt zu geben. Mal wieder gehen Ukemi und Nage waza Hand in Hand – Yin und Yang – eines ohne das andere ist unmöglich. Und umgekehrt: wenn ich als Uke lerne, Kontakt zu geben und zu halten, kann ich diesen Kontakt auch als Nage anfangen zu erspüren. Was wirklich abgefahren ist: durch meine Aufmerksamkeit auf diesem Thema und meine Beschäftigung damit fange ich an, nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis zu erfahren, dass Kontakt auch ohne körperliche Berührung möglich ist. Als Nage bekomme ich das natürlich noch nicht wirklich hin, aber als Uke habe ich das schon gespürt. Ganz schön abgefahren…

Gerade die Sache mit dem Kontakt finde ich unheimlich schwer zu vermitteln und lange Zeit wusste ich nicht, wie ich das erklären und rüberbringen soll. Gestern haben wir ein paar schöne Übungen dazu gemacht und es hat mich echt sehr gefreut zu sehen, dass wir alle zusammen angefangen haben, Kontakt nicht nur mit dem Kopf sondern auch mit dem Körper zu verstehen. Und es ist beim Zusehen deutlich, wie sehr sich alle darum bemühen, zu spüren und Kontakt herzustellen. Der schönste Moment für mich gestern Abend war, als mir das bewusst wurde.

Ein weiteres Thema von gestern Abend war der Drehpunkt des Irimi nage, bzw. der Punkt kurz vor dem Wurf, wenn Uke gerade hochgekommen ist und der Wurf an der Schulter eingeleitet wird. Subileau hatte am Wochenende ja das schöne Beispiel mit dem Hochheben des Gewichts gebracht. Eigentlich hatte er das zwar bei Tenchi nage gezeigt, die Bewegung und das dahinterstehende Prinzip sind aber gleich. Dieses Bild hat bei mir echt ein Licht im Kopf angemacht. Darauf sind Jules und ich bei der Korrektur ganz schön rumgeritten, glaube ich, aber ich für meinen Teil nur deshalb, weil ich endlich verstanden habe, was dabei eigentlich passiert und warum das passieren muss.

Diese beiden Dinge erscheinen mir momentan als sehr grundlegend und deshalb habe ich das Training gestern Abend als sehr intensiv und „wichtig“ empfunden. Und es macht mir unglaublich viel Spaß zu sehen, dass „unsere Schüler“ diese Sachen auch so spannend finden wie wir, dass sie versuchen sie umzusetzen und das tatsächlich auch hinbekommen. Ohne Schüler die ich anleiten darf, müsste ich nie über alle diese Sachen so intensiv nachdenken. Als Lehrer muss ich mich immer wieder fragen, worauf es eigentlich ankommt bei Techniken und bei Aikido ganz allgemein, denn genau das will und sollte ich ja versuchen, weiterzugeben. Ich denke das ist einer der Gründe, warum auch der Lehrer am Ende eines Trainings zu den Schülern „Domo arigato gozaimashita“ sagt.

Sonja

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