Philosophy in motion

Juli 18, 2007

Gestern Abend ging ich sehr beschwingt zu Bett und hatte immer noch die letzte Technik „in den Knochen“ (auf positive Art und Weise), die Martin mit uns im Training machte – Ikkyo gegen ushiro ryote tori in einer abgewandelten Version, die wir zwar schon einmal gemacht hatten, aber das ist eine ganze Weile her und damals hat sich das für mich noch ganz anders angefühlt.

Martin hatte einen „runden Abend“ gestern und die Techniken waren sehr fließend, also eben rund, ein besseres Wort fällt mir dazu nicht ein. Gerade die erwähnte letzte Technik hatte es mir besonders angetan. Ich habe da zusammen mit Holger gearbeitet und er hatte anfangs ziemliche Probleme damit, das nachzumachen, was Martin da gerade gezeigt hatte. Wir haben dann zusammen daran gearbeitet und ich fand es ganz schön schwierig, diese Technik zu erklären und zu erkennen wo und warum Holger damit Probleme hat. Letztendlich haben wir es dann aber hinbekommen und Holger durfte sogar in der Mitte vormachen, worauf es Martin bei der Technik ankam. Cool! 🙂 Ich glaube wir haben beide viel dabei gelernt.

Überhaupt hatte ich gestern ein richtig tolles Training. Rund in jeder Hinsicht. Ich wurde daran erinnert, dass vieles einfach auch an der eigenen Einstellung liegt, daran was man selbst mit ins Training bringt, was man bereit ist zu geben, und was man bereit ist, anzunehmen. Früher hätte ich immer kotzen können, wenn mir meine Eltern mit Schulweisheiten kamen 🙂 , aber an Sprüchen wie „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ ist schon irgendwie was dran…

Hinterher im Clubraum gab es dann eine interessante Diskussion zwischen Martin, Jochen, Georg, Birgit und mir zum Thema „was wollen wir eigentlich von Aikido“ bzw. „worin liegt für uns die individuelle Faszination“. Und dann haben wir gleich noch diskutiert, was einen „guten“ Aikido-Lehrer ausmacht. Im Nachhinein denke ich, dass sich diese Themen eigentlich sogar überschneiden.

Ich habe danach noch länger darüber nachgedacht, warum es gerade Aikido ist, das ich mache und was mich fasziniert und gefangen hält. Martin sprach davon, dass ihn von Anfang an die Kraftlosigkeit des Aikido fasziniert habe (ich glaube an die habe ich lange Zeit gar nicht richtig geglaubt und hatte die eher für so eine Art Mythos gehalten, so wie den Yeti o.ä. 🙂 ). Jochen sprach von Absichtslosigkeit und Gegenwärtigkeit und anderen Dingen – den genauen Wortlaut seiner Definition bekomme ich leider nicht mehr zusammen.

Für mich fing Aikido irgendwie ganz harmlos an. Ich ging da hin, weil Jules damals die Idee hatte, doch mal zusammen sowas anzufangen. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dort ein „Hobby“ für´s Leben (im wahrsten Sinne des Wortes) zu finden. Anfangs war es ein toller Sport mit netten Leuten und einfach nur sauschwer 🙂 Je länger ich dabei bin, desto mehr Tiefe finde ich, desto mehr Dinge erregen meine Aufmerksamkeit und desto mehr Details (nicht nur technisch) fallen mir auf, die ich verstehen will. Irgendwann wurde mir klar, dass Aikido (von mir ja anfangs als netter Sport total unterschätzt) quasi meine Weltanschauung in Fleisch und Blut ist. Nicht Poetry in motion sondern Philosophy in motion. Ich glaube, das ist es, was ich persönlich in Aikido suche und finde. Und je länger ich dabei bin, desto mehr spüre ich dies auch wirklich körperlich in den Bewegungen. Nicht, dass ich das alles verstehen würde. Aber Aikido ist für mich einerseits ein philosophischer Wegweiser und andererseits eine unerwartete Art, Philosophie körperlich wahrzunehmen. Total spannend!!! Und wenn ich Techniken wie z.B. die von gestern Abend übe, dann merke ich einfach, wie ich vom Fluss und von der Rundheit des Aikido sprichwörtlich abhängig geworden bin 🙂

Kommen wir zum zweiten Thema des Abends: Was macht einen guten Aikido-Lehrer aus? Ein für mich noch ungeklärte Frage ist Georgs Vermutung, dass es keine schlechten Lehrer gibt, nur Lehrer, die nicht auf der eigenen Wellenlänge liegen. Ich denke, bis zu einem gewissen Punkt stimmt das auf jeden Fall, aber ich muss diese Frage noch ein bisschen mit mir rumtragen, bevor ich zu einem Ergebnis komme. Was aber aufjeden Fall stimmt, ist, dass jeder bei einem Lehrer etwas anderes sucht (so wie oben beschrieben bei Aikido generell). Jochen möchte z.B., dass ihn ein Lehrer neugierig macht und mehr als nur Technik bespricht. Das kann ich, glaube ich, nachvollziehen. Für mich muss ein guter Lehrer enthusiastisch sein, fühlbare Liebe für Aikido haben, und in mir dafür ein Feuer entfachen können. Gute Technik ist mir natürlich auch wichtig, aber das allein würde mich nicht dazu bringen, bei jemandem zu trainieren. Und was Martin sagte, finde ich ebenfalls zutreffend: Ein guter Lehrer darf selbst nie stehen bleiben und aufhören, sich weiter zu entwickeln. Mit anderen Worten, ein guter Lehrer bleibt selbst immer auch Schüler.

Daneben gibt es noch andere Dinge, die einen guten Lehrer (für mich) von einem weniger guten unterscheiden, aber die sind eher zweitrangig. Sollte mir noch was Wichtiges einfallen, werde ich es ergänzen 🙂

Heute Abend geht es dann ab zum Hüttenseminar. Ich freue mich schon diebisch auf das Training, die nette Gruppe und auch auf das Shiatsu. Ach ja, und auf den Whisky 🙂

Sonja

Werbung

5 Responses to “Philosophy in motion”

  1. volkido Says:

    Hallo Sonja,

    in den letzten Tagen haben mich deine Gedanken im Log nicht in Ruhe gelassen.

    Warum betreibe ich Aikido? Die Antwort darauf suche ich immer noch. Auch nach über 10 Jahren. Ein paar gute Aspekte haben Martin und Jochen wohl geliefert. Die Frage bleibt jedoch so unerschöpflich wie die Antworten. Aikido regt zum Suchen an und deckt jedesmal neue Fundstellen auf. Die Suche ist also spannend und vielseitig. Früher hätte ich nie geglaubt, dass ein Sport so etwas leisten kann.

    Der Aussage, dass es „keine schlechten Lehrer gibt, nur Lehrer, die nicht auf der eigenen Wellenlänge liegen“, stimme ich nur in Teilen zu. Das erklärt ein persönliches Moment, ob mir ein Mensch sympathisch ist oder nicht, was wiederum großen Einfluß auf die Meinung gegenüber einer Person hat. Wohl war. Aber Qualitätsunterschiede gibt es nun mal darüber hinaus. Es gibt Unterschiede im Beherrschen der Techniken und – was bei Lehrern vor allem wichtig ist – auch darin, wie etwas den Schülern erklärt und beigebracht wird. Einem Lehrer muss es also gelingen, Aikido oder seine Techniken so zu vermitteln, dass sie nachvollziehbar werden und noch weiter, dass sie „verstanden“ werden (wobei: ist das überhaupt möglich?). Dabei muss es anregend dargeboten werden, um darauf zu drängen, es gleich selber auszuprobieren. Ein Lehrer muss überzeugen. Zuallererst auf der Matte. Aber auch davor und danach. Also ist er auch ein Stück Vorbild. Und eine Respektperson. Lernen als reines Nachmachen oder Auswendiglernen zu begreifen ist doch sehr begrenzt. Das Lernen selbst zu lernen ist eine andere Qualitätsstufe und befähigt zu hinterfragen und selbst nachzudenken. Wenn es einem Lehrer also gelingt, diesen Prozeß anzustoßen – auch wenn er im Aikido lange dauert – ist er auch ein sehr guter Lehrer. Es gibt gewiß noch viele andere Facetten, die einen guten Lehrer von einem anderen unterscheiden.
    Ist dir noch was Wichtiges eingefallen?

    Volker

  2. Sonja Says:

    Hallo Volker,

    Ich stimme dir was die Qualitäten eines Lehrers angeht voll und ganz zu. Nur – viele von diesen Dingen sind wahrscheinlich subjektiv, oder? Gerade das mit der Wellenlänge, aber auch das Erklären, denn jeder Mensch versteht anders und braucht deshalb auch andere Anleitung. Bis zu einem gewissen Grad allerdings ist da auch Objektivität vorhanden, denn es gibt eher introvertierte Lehrer, die nur wenig „rauslassen“ und extrovertiertere, denen es leichter fällt, viel zu zeigen/sagen/etc. Wobei introvertierte Lehrer ja nicht zwingend schlechter sein müssen. Hmmm, meine Gedanken sind da wohl noch unausgegoren.

    Ich denke, man kann davon ausgehen, welche Art von Lehrer man selbst sein möchte, dann weiß man auch, was man an anderen Lehrern schätzt oder eben nicht, oder?

    Mehr ist mir momentan nicht eingefallen, aber ich denke nochmal drüber nach 🙂

    Liebe Grüße,
    Sonja

  3. volkido Says:

    Hallo Sonja,

    die Kriterien sind alle subjektiv. Im Aikido schießen wir keine Tore oder machen Weitwurf und können die Weite messen. Aber es gibt nicht nur schwarz und weiß, sonst wäre eine relativ objektive Bewertung beim Turnen, Eiskunstlauf oder Tanzen auch nicht möglich. Objektive Kriterien lassen sich nicht formulieren. Interessanterweise gibt es aber Mehrheiten und die sieht man z.B. an vollen Mattenflächen oder hört man in Gesprächen unter Aikidokas. Es gibt also Subjektives wie Geschmack und doch muss es objektive Kriterien geben. Da wir sie nicht bewertbar fomulieren können, kommen wir am Ende auf keinen grünen Zweig.

    Im Laufe des Aikido-Lebens entwickelt man ein Gespür dafür, was man an einem Lehrer schätzt.

    Lieben Gruß
    Volker

  4. Sonja Says:

    Hallo Volker,

    >Es gibt also Subjektives wie Geschmack und doch muss es objektive Kriterien geben.

    Ja, ich denke da hast du Recht.

    >Im Aikido schießen wir keine Tore oder machen Weitwurf und können die Weite messen.

    Der ein oder andere Weitwurf ist ja doch dabei 😉 Gerade das macht mir ja so Spaß 🙂 Aber mal im Ernst, auch hier stimme ich dir zu.

    Was ist dir denn eigentlich wichtig, wenn du selbst unterrichtest bzw. wie nimmst du dich als Lehrer wahr?

    Liebe Grüße,
    Sonja

  5. volkido Says:

    Hallo Sonja,

    da hast du mir eine schwierige, aber auch sehr interessante Frage gestellt!
    Und die Antwort(en) sind mir noch gar nicht recht klar!
    Was fällt mir auf Anhieb ein: eine „gewisse“ Präsenz und Ausstrahlung auf der Matte verlange ich von mir. Die Techniken, wie ich sie zeige, müssen funktionieren, überzeugen und nachvollziehbar sein, für die Aikidokas, die auf der Matte sind. Am Ende des Trainings müssen die Aikidokas (und ich selber) sagen, dass es Spaß gemacht hat und ein schönes Training war. Ich selber möchte von den Schülern lernen und ebenfalls so viel es geht vom Training für mich mitnehmen. Ich möchte mich und meine Kenntnisse hinterfragen. Mir ist die Atmosphäre im Training wichtig: Respekt neben Spaß und Lockerheit. Eine passende Mischung daraus. In Summe ist ein Training also eine interaktive Lehreinheit. Als Trainer bin ich dafür verantwortlich.

    Wie ich mich selber als Lehrer wahrnehme, dass behalte ich für mich und überlasse das Urteil den Anwesenden.

    Wenn mir noch mehr dazu einfällt, ergänze ich die Antwort.

    Lieben Gruß
    Volker

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s