YEEEESSS!!! YEEEESSSS!!!

März 24, 2008

…waren die Worte, mit denen uns Mouliko Halén, 6. Dan Aikikai aus Oslo, beim Osterlehrgang in Düsseldorf gleich beim Aufwärmen zum Lachen brachte. Das Lachen war Programm: in den insgesamt 5 Einheiten brach noch oft Gelächter aus aufgrund der Sprüche, Gesten und Bilder die Mouliko so losließ. Der Mann hat echt Humor und er mag offensichtlich Tiere – im Training tauchten Tiger, Tintenfische, Kobras, Schwäne und anderes Getier auf und verdeutlichten uns, was Mouliko vermitteln wollte mit wirklich einprägsamen Bildern die man so leicht wohl nicht vergessen wird. Außerdem konnte man sich ein Bild davon machen was passiert wenn ein Komet auf einen Planeten zufliegt oder (wesentlich einprägsamer!) wenn ein Mann auf eine attraktive Frau trifft 🙂 Die Scherze an sich wären schon genug gewesen um an diesem Wochenende eine ganze Menge Spaß zu haben, aber dazwischen gab es auch Food for Thought, prima Aikido und einen Haufen zum Thema Kontakt und Kommunikation. Wo soll ich nur anfangen…

Ich hatte mich aus verschiedenen Gründen sehr auf das Seminar gefreut. Erst mal weil ich wusste, dass Mouliko ja öfter mal mit Jorma Lyly und Jan Nevelius zusammen arbeitet und sein Stil deshalb wohl mit deren Ideen ziemlich kompatibel sein musste. Mein Kopf ist ja noch immer recht durcheinander von dem was Jorma mir in Stockholm so gezeigt hat und es war richtig super zu sehen, dass ich einiges davon auch bei Mouliko wiedererkannte und so wieder üben konnte. Dabei fiel mir auf, wie viel ich schon wieder vergessen hatte…
Mouliko kündigte gleicht zu Anfang des Seminares an, dass er an dem Wochenende viel auf Kontakt und Communication eingehen wolle und dieses Versprechen hat er dann auch gehalten. Der passende Leitspruch wäre wohl der Slogan den Mouliko auch beim Abendessen am Samstag erwähnte: Nokia – connecting people. Mehrmals an dem Wochenende sagte er: „I think Aikido is a very complex system of communication.“ Diese Kommunikation durfte ich dann beim Training mit vielen netten Leuten üben, die – wie letztes Mal in Düsseldorf auch schon – echt sehr nett, geduldig und hilfsbereit waren. Unsere Stuttgart-Fraktion wurde einmal mehr sehr freundlich aufgenommen und so langsam fällt auf, dass von uns jedes Mal ein paar Leute mehr auftauchen (diesmal Robby, Nathalie, Bogdan und eben ich) und sich der „Kontakt-Virus“ im Großraum Stuttgart weiter verbreitet 🙂 So sagte Mouliko am Ende zu uns: „I have a feeling that this was not the last time that i have met you guys.“ Ach, hat man uns etwa angemerkt, dass es uns gefallen hat?! 🙂

Wir alle vier haben am Wochenende von verschiedenen Seiten prima Tips zur Fallschule bekommen. Das war noch einer der Gründe für meine Vorfreude und die Pointers die ich von Britta, David und Stefan bekam waren mal wieder echt hilfreich: Mit dem Kopf tiefer/enger zwischen die Beine von Nage kommen, weicher werden, die Beine länger gestreckt halten und sobald der Arm die Matte berührt die Bauchmuskeln anspannen um das Aufschlagen der Füße abzubremsen. Da hab ich echt was zum Üben mitbekommen. Auch den Irimi nage Wurf konnte ich nochmal mit Britta üben und bekam von ihr nochmal ein paar Tips dazu die mir glaube ich wirklich geholfen haben.

Überhaupt hatte ich mich darauf gefreut, den Kontakt (haha) zu den Leuten in Düsseldorf etwas weiter ausbauen zu können und nicht nur von einem guten Lehrer sondern auch von echt guten Trainingspartnern lernen zu können. Geht man auf Lehrgänge einer Stilart die für einen neu ist, dann ist es ja immer auch eine Frage des Egos in wie weit man die innere Tasse leeren kann um sie dort neu mit Wissen füllen zu können. Man geht da hin und muss vieles von dem was man kann und weiß loslassen und sich auf Neues einlassen. Anstatt sich auf die erworbene Graduierung zu berufen und einfach das zu machen was man kennt und vielleicht kann, muss man – wenn man etwas lernen und mitnehmen möchte – den Beginners mind mitbringen und man fühlt sich dann in gewisser Weise wirklich wieder wie ein Anfänger. Das wird einem einfacher gemacht, wenn die Leute mit denen man trainiert nicht herablassend oder genervt sind, sondern freundlich und wohlwollend auf einen zukommen. Statt „häh – was machst du denn da???!!!“ habe ich von Anfang an eher eine Art „ach, du bist neu hier – toll dass du dich für diese Sache hier interessierst und herzlich willkommen“ gespürt. Was nicht selbstverständlich ist, wie ich andererorts auch schon erlebt habe. Meine Vorfreude auf Lillsved wird dadurch ebenfalls nur noch größer, denn mit solchen Leuten hat man da eine Woche lang sicher eine ganze Menge Fun.

Technisch habe ich also ganz schön viele Tips zu den geübten Techniken mitgenommen, die ich hier nicht alle aufzählen möchte und kann (dafür gibt es ja das von Mouliko angesprochene Trainings-Tagebuch 😉 ) Aber auch jenseits der Technik hat Mouliko viel erzählt, was mir gut gefallen hat. Zu Beginn fragte er uns, ob und wie wir uns auf das Seminar vorbereitet hätten und fuhr fort zu erzählen, dass es seiner Meinung nach wichtig sei, etwas mit ins Training zu bringen und ein Ziel zu haben. Jeder im Raum könne bzw müsse zum Lehrgang bzw Training beitragen anstatt nur aufzutauchen und zu nehmen. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann ist das einerseits wichtig, weil das Ergebnis, die Atmosphäre und Intensität im Training natürlich eine Art Gemeinschaftsprodukt sind. Andererseits sei es aber auch wichtig, alles was man macht, mit einem gewissen Ziel zu machen. Nicht unbedingt im Sinne von Ehrgeiz sondern im Sinne von Fokus. Das ist jetzt mal meine Interpretation des Gesagten und muss deshalb mit einer Prise Salz gelesen werden. Aber ich denke das macht Sinn, denn wie kann man erwarten etwas zu finden wenn man noch nicht mal weiß wonach man eigentlich sucht?! In meinem eigenen Training – sowohl wenn ich selbst trainiere als auch wenn ich Training gebe – merke ich jedenfalls einen Unterschied seit ich weiß, was ich suche und was ich will. Und wenn ich etwas mitbringe und zum Training beitrage, dann darf ich wieder etwas annehmen und aus dem Training mitnehmen. Geben und Nehmen, was sich mal wieder auf das ganze Leben übertragen lässt. Das hinterlässt zumindest bei mir ein gutes Gefühl und ich würde das was Mouliko da so sagte sofort unterschreiben.

Fazit: Peter hatte mir im Vorfeld gesagt, dass mir Mouliko sicher gefallen würde, und er hat Recht behalten. Ja, und jetzt bin ich wieder zu Hause und frage mich einmal mehr wo ich nur die Kohle und die Urlaubstage herbekomme um auf all die Lehrgänge zu gehen, die ich gerne besuchen würde…

Sonja

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Die Brüste meiner Frau.

Januar 31, 2008

Endlich komme ich dazu, diesen Eintrag fertig zu schreiben…

Im Training wurde die Technik der Hände an sich zum Thema. Wie Jules meinte, erkennt man die Schüler vieler Meister an ihrer Hände. Die Schüler mancher Meister haben Hände wie Schwerter. Tegatana eben. Die Schüler von Yamada sehen oft aus als wurden sie Bälle, Orangen oder sogar Melonen in ihrer Hände halten. Bereits seit geräumer Zeit faszinieren mich die Hände Yamadas.

Und deshalb kam es dazu, dass ich auf der Matte kniete und bewußst meine mit breit gespreizten Fingern Melonen-greifende Hände beobachtete.

Da ging mir ein Licht auf:

DAS sind die Brüste meiner Frau.

Ein Ah-hah-Erlebnis der besonderen Art.

Nachdem meine Frau sich von ihrem Lachanfall erholt hat, freute sie sich, endlich auf einer nutzlichen Art und Weise an meiner Aikido-Entwicklung beteiligt sein zu können. -Seit wenigen Sekunden nach meinem ersten Versuch, ihr die wunderbare Wirkung von Nikkyo auch brachialer Weise nahe zu bringen, zeigt sie sich irgendwie unwillig Bereitschaftsuke für meine Inspirationen zu sein.

 O-Sensei meinte, man sollte beim Üben immer lächeln. Behalte ich die Vision der Brüste meiner Frau im Kopf, liegt ein guter Grund zum Lächeln immer auf der Hand…

Das ist die beste Beschreibung für die richtige „Körperspannung“ (dieses Wort an sich trifft die Sache ja auch nicht wirklich)bei Aikido die ich bisher gehört habe. Nicht nur das wird mir vom Lehrgang mit Jan Nevelius, 6. Dan Aikikai, in Frankfurt in Erinnerung bleiben. Mein Körper fühlt sich angenehm bearbeitet an und in meinem Kopf herrscht das übliche Post-Lehrgangs-Rauschen. Über die letzten drei Tage hätte ich mir oft ein internes Diktiergerät in meinem Kopf gewünscht, so viel habe ich gehört, gesehen und gefühlt, was ich mitnehmen und weiter in meinem Kopf, Körper und Herz hin- und herbewegen möchte.

Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel, dass ich trotz Zwei-Zimmer-Wohnung ein Haus und sogar einen Garten habe 🙂 Dass sich in mir Bogen und Pfeil vereinen. Und dass es einen Hello-Point gibt.

Nachdem ich mich in den letzten Monaten recht viel mit dem Thema Kontakt auseinandergesetzt hatte, war ich gespannt, ob ich bei diesem Lehrgang herausfinden würde, dass ich mit dem, was ich bisher zu dem Thema verstanden zu haben glaube, total falsch lag oder nicht. Ich habe dann schnell gemerkt, dass es noch seeeehr viel zu dem Thema zu lernen gibt (was mich nicht überrascht hat), dass ich aber bisher wohl auch nicht ganz auf dem Holzweg war (was mich gefreut und etwas beruhigt hat). Sehr schnell wurde mir klar, dass Kontakt sehr viel subtiler sein kann, als ich das kenne und eine echte Herausforderung für mich war es, meinen Körper als Uke so weich und empfänglich zu machen wie möglich, um diese subtilen Dinge in Nage wahrzunehmen. Besonders natürlich wenn ich Nevelius Sensei angreifen durfte.

Das ganze hat in mir eine unheimliche Neugier geweckt, die ich immer auf Lehrgängen bekomme, wenn da etwas passiert, von dem ich offensichtlich maximal die Hälfte verstehe und noch weniger nachmachen kann. Diese Neugier macht mir diebischen Spaß. Seit einiger Zeit öffnen sich für mich innerhalb meiner kleinen Aikido-Welt immer neue Türen, die mir Einblicke in andere Welten geben. Jeder ist etwas anders, hat aber auch immer etwas mit den anderen gemein. Und die meisten machen Lust auf mehr und sind unheimlich spannend. Sonst bin ich ja eher ein Gewohnheitstier und auch in Bezug auf Aikido hat mir alles Neue eine Zeit lang auch irgendwie etwas Angst gemacht. Aber mittlerweile fühle ich mich eher wie ein Kind, das langsam laufen lernt und so anfängt, vom eigenen Zuhause aus die Welt um sich herum zu erforschen.

Eine Idee die mir nicht absolut neu ist, mir aber so klar wie dieses Wochenende noch nicht vor Augen geführt wurde, war die Wichtigkeit der inneren Haltung und des Geistes für Aiki. Jan Nevelius konnte das wirklich gut beschreiben und hat immer wieder gute Bilder und Worte gefunden um zu vermitteln, was er damit meint. Nicht nur die Sache mit dem „weichen Zeug in meinem Körper“ hat mir dabei geholfen, mir diese wirklich schwierig umzusetzende Geschichte körperlich und gedanklich vorzustellen, auch Sätze wie „what can *I* do to change the situation“ oder das Bild der inneren Röhre und des Steins der in ihr hinabfällt, fand ich sehr anschaulich. Auch wenn das, was ich am Wochenende versucht habe umzusetzen unheimlich schwer ist (zumindest für mich), hat Nevelius doch gute Werkzeuge zur Hand, um es so leicht wie möglich zu machen. Das ist eine der Qualitäten eines guten Lehrers, wie ich finde.

Auch zum Thema Ukemi hat er viel gesagt, was ich auch richtig prima fand. Bisher fand ich es meist schwierig Anfängern zu erklären, wie man Kontakt hält, ohne so viel/durchgängig Kontakt zu halten, dass Nage gar nicht erst in die Bewegung/Technik kommt. Nevelius wurde nicht müde zu erklären:“ Now it´s Ulli, now it´s the line of action, now it´s Ulli again, now it´s the line of action.“ Interessanterweise schien es mir, als passe genau das zum Thema meines letzten Blog-Eintrags, nämlich dazu, dass es Harmonie nur geben kann, wenn es zwei Pole gibt, zwischen denen Harmonie überhaupt erst entstehen kann. Als Uke muss ich also einerseits Kontakt herstellen, mich andererseits aber auch von Nage lösen können. Um wieder zum Kontakt zurückzukehren. In meinem Körper hatte ich das größtenteils glaube ich schon verstanden und jetzt habe ich die passende Erklärung dazu bekommen. Spannend!

Es gibt noch so viel mehr fetszuhalten von diesem Lehrgang, für heute schließe ich erst mal den Bericht mit einem Danke an die vielen netten Leute in Frankfurt. Die Stimmung des Lehrgangs war für mich persönlich unheimlich gut und ich habe mich sehr wohl gefühlt und einige neue Aikido-Freundschaften schließen dürfen. Auch das macht einen Lehrgang zu einem wirklich guten Lehrgang.

Sonja

Minimalismus

September 15, 2007

Minimalismus heißt nicht einfach „wenig machen“, sondern das Unnötige weglassen.

 Meine Erleuchtung des Tages.

In unserem freien Training am Dienstag tauchte Jules mit neuen Erkenntnissen über Irimi nage auf, die wir gleich zusammen üben mussten 🙂 Es ging dabei um die Form, bei der man Uke um das eigene Bein herum führt, anstatt das Bein mitzunehmen. Es ist die gleiche Form, die Subileau beim Pfingstlehrgang gezeigt hat und die er mit dem Schwert in der Hand ohne Uke demonstrierte. Endlich hat das bei mir richtig klick gemacht und gerade auch durch das, was Jules über die Führung des Kopfes verstanden hat, hat sich mein Irimi nage innerhalb weniger Tage glaube ich ganz schön verändert. Gestern im Training in Esslingen hat Jules uns das auch sofort erst mit Schwert (super Vorübung!) und dann mit Partner üben lassen und ich muss sagen, dass mir das ganze ein völlig neues Gefühl für Irimi nage beschert hat. Und man hat am Ende echt einen satten, tollen Stand. Jetzt muss sich Shiho nage meine Zuneigung mit Irimi nage teilen 🙂 Es ist so spannend, wie man auch als Schwarzgurt Techniken immer wieder in einem völlig neuen Licht sehen kann. Aikido ist Spiel, Spaß, Spannung – wenn jetzt noch Schokolade dazu käme, wäre es für mich das ultimative Überraschungsei 🙂

Auch Koshi nage hart haben wir gestern wieder geübt und so langsam verändert sich mein Klumpfuß zu einem deutlichen aber nicht hoffnungslosen Hinken. Notiz an mich selbst: beim Eintreten eng an die Hüfte (so wie bei der weichen Form z.B. gegen ryotetori auch)!

Sonja

Shiho nage

August 17, 2007

Im Rahmen der Blogeinträge, die nach meinen Lieblingssongs benannt sind, folgt heute eine Hommage an Joss Stone: I fell in love with a boy shiho nage.

Gestern im Training in Esslingen habe ich u.a. shiho nage gegen gyaku hanmi mit Harald geübt. Fleißige Blog-Leser werden sich erinnern, dass Harald und sein legendärer, im Karate gelernter Stand schon mal hier aufgetaucht sind. Ich trainiere gerne mit Harald, weil eben jener Stand und seine immense Kraft in den Handgelenken eine echte Herausforderung darstellen und mir jedes Mal etwas beibringen – meist Bescheidenheit :-p

Nun gut, gestern war also shiho nage dran. Bei den ersten paar mal stand Harald – wie erwartet – wie Schillers Glocke, Kuzushi war noch nicht mal ansatzweise vorhanden und meine Muskeln meldeten mir, dass das, was ich da versuchte, nicht viel mit Kraftlosigkeit zu tun hatte. Ich fühlte mich in meine ersten Aikido-Jahre zurückversetzt, in denen sich meine Uke entweder aus der Technik drehen oder aber stehen konnten, ohne dass ich ihr Gleichgewicht gebrochen hatte – ganz im Gegensatz zu meinem eigenen Gleichgewicht, das ich vor allem bei der tenkan Ausführungen selbst zu verlieren schien. Grummel.

Gestern bin ich ganz gut damit klargekommen und nach etwas probieren wurde das ganze dann sogar recht fließend und mühelos, Harald hatte seinen Stand verloren und von Rausdrehen konnte keine Rede mehr sein. Klar, wie Volker gestern so schön zu mir sagte: Man muss auch mal einfach Trainieren können (Kontext: wir hatten gerade eine eher ungewöhnliche Hebeltechnik geübt, mit der wir uns erst mal vertraut machen mussten, bevor wir anfangen konnten, die Technik und Nage auszutesten). Aber mit Leuten zu üben, die nicht weich wie Butter sind, ist eine Herausforderung und wenn man das dann halbwegs hinbekommt, ist das schon auch ein klitzekleines Erfolgserlebnis.

Shiho nage tenkan gehört mittlerweile echt zu meinen Lieblingstechniken und es macht mir irre viel Spaß, weiter an dieser Technik zu feilen. Genau wie bei Irimi nage (ich finde das Synonym „20-Jahre-Technik“ eine eklatante Untertreibung) hätte ich in den ersten Jahren nie gedacht, dass das mal so sein würde. Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder und mir wird sogar der harte Koshi nage noch sympatisch. Die Hoffnung stirbt zuletzt…

Sonja

Spielen

August 8, 2007

Gestern bei Martin im Training haben wir gegen Ende Kaeshi Waza geübt und zu Beginn, als ich mit Oli trainierte, haben wir ein bisschen mit diversen Henka Waza rumgespielt. Dabei ist mir eine wichtige (wenn auch eigentlich offensichtliche) Erkenntnis über beide gekommen.

Um Kaeshi und Henka Waza richtig üben zu können, sind natürlich gutes bzw richtiges Ukemi gefragt – mehr denn je. Es kommt vor, dass Uke, sobald sich eine Öffnung in der Technik bietet, sofort mit Kraft kontert. Mir passiert das auch. Interessant daran ist, dass dies zeigt, dass man die Kraftlosigkeit noch nicht verinnerlicht hat. Und ich frage mich, in wie weit sich dabei auch das altbekannte Tier mit Namen „Siegeswillen“ zeigt, das in solchen Situationen instinktiv sein Haupt erhebt. Immerhin sind wir ja Teil der Evolution und daher sind solche Instinkte tief im Mensch-Sein enthalten. (Jaja, schon gut, lassen wir die Philosophie auch heute mal beiseite und kommen zur Technik zurück…) Jedenfalls habe ich gemerkt, wie – sobald Uke mit Kraft reagiert und versucht, durch diese die Technik zu blockieren – genau das passiert: ein Block. Der Fluss stoppt. Sofort. Und Uke verbaut sich selbst dadurch die Möglichkeit von Kaeshi Waza. Und er (bzw sie, hähä 🙂 ) verbaut Nage auch die Möglichkeit, in eine andere, passendere Technik zu gehen (Henka Waza). Um Kaeshi Waza zu üben, muss der Fluss aber immer aufrecht erhalten werden und beide – Nage und Uke – müssen weich bleiben, Kontakt halten und die sich bietenden Öffnungen wie Wasser nutzen, das durch eine Ritze im Boden fließt, anstatt wie ein Brecheisen.

Ich denke, Kaeshi Waza (und auch Henka Waza) schulen eben dadurch das Weich-Bleiben und die Aufmerksamkeit dafür, wann man ohne Übergang in eine andere Technik gehen kann oder die „Rollen tauschen“ kann. Und sie schulen Ukemi, denn nur wenn ich als Uke mich immer wieder neu auf Nage ausrichte, mein Fokus auf Nage bleibt, etc., kann ich die sich eventuell bietende Chance einer Kontertechnik erkennen und ohne Kraft nutzen. Vor diesem Hintergund möchte ich hier nochmal den Clip reinstellen, den wir schon mal im Newsletter hatten. Ich finde, er passt sehr gut:

http://www.youtube.com/watch?v=wMvbovk1XIE

For my own records: Habe gestern mit Bernd die Kobayashi-Version von Nikkyo geübt (Ellbogen nach unten und Richtung Ukes Zentrum führen), über die Zoran neulich gesprochen hat, und sollte mir das merken 🙂 Hat wunderbar geklappt.

Sonja

I keep on falling…

Juli 31, 2007

Mein Blog-Titel ist heute frei nach Alicia Keys gewählt – in memoriam des Singstar-Abends vom Samstag. Da gab es Momente, die ich wohl nicht so schnell vergessen werde, und die ein oder andere Gesangsüberraschung.

Auf der Tannhütte hatte ich Gelegenheit, mit Carsten ein bisschen über Ki-Aikido zu sprechen und ich glaube ich fange langsam an, diese mir bisher eher fremde Stilart besser zu verstehen. Carsten sprach über die Idee der „idealen Fallgeschwindigkeit“, die mit ein Grundbaustein der Taigi zu sein scheint. Obwohl ich teilweise noch nicht ganz von der Idee bzw deren Umsetzung überzeugt bin (was zweifelsohne an mangelndem Wissen und Verständnis meinerseits liegt), steck da auch etwas dahinter, was ich gut finde. So ganz neu ist mir der Gedanke des „Fallen lassens“ ja nicht – ich erinnere mich da beispielsweise an die Anweisung „be like a waterfall“, die ich auf dem Lehrgang mit Frank Doran bekommen hatte. Aber die Diskussion hat mich auf neue Art daran erinnert und mich zum Nachdenken gebracht.

Mit Christian aus Claustal führe ich per E-Mail gerade eine interessante Diskussion zum Thema Ki. Was ist Ki bzw entsteht Ki aus Technik oder Technik durch Ki, etc. ? Meine Vorstellung von Ki hat sich über das letzte Jahr sehr verändert und momentan betrachte ich Ki nicht als Energie, die aus mir heraus entsteht, sondern die durch mich durch fließt. Ich nutze nur etwas, das sowieso schon da ist, indem ich mich dafür öffne und indem ich (mal rein technisch gesehen durch richtige Position, Ma-ai, etc.) die notwendigen Vorraussetzungen dafür schaffe, dass diese Energie oder Kraft von dort wo ich sie herhole bei Uke ankommt. Gestern Abend im Training sagte ich z.B. bei Ikkyo tenkan, dass man sich die Kraft aus dem Boden holt. Bei Entwurzelungs-Techniken erscheint mir das ganz klar und auch überhaupt nicht esoterisch. Um bei Ikkyo tenkan zu bleiben (genauer gesagt die Stelle, wo man hinter Uke eintritt und den Ellbogen hinter Uke und nach oben führt): Ich bringe meinen Körper in eine Position, in der er die Verbindung zwischen Erde und Uke ist. Je stärker Uke drückt und dagegen hält, desto stärker werde ich bzw desto stärker ist die Kraft, die wieder zu Uke zurückkommt, denn die Erde kann Uke ja schlecht wegdrücken 🙂 Ich nutze also nur die „Kraft“ der Erde ohne selbst Muskelkraft anwenden zu müssen. Das geht natürlich einher mit adäquater Technik – ohne diese kann die erwähnte Kraft nicht „angezapft“ werden.

Genau so stelle ich mir das mit dem Fallen-lassen vor. Nur wenn ich mich an der richtigen Stelle befinde und das richtige Timing habe, kann ich die Kraft der Natur (ganz konkret in diesem Fall die Schwerkraft – auch eine Kraft/Energie die von der Erde ausgeht, wie mir gerade auffällt) ausnutzen. „Aikido is the art of hitting people with planets.“ Keine Ahnung, wer das gesagt hat, aber ihn oder sie würde ich echt gerne mal kennenlernen, denn ich finde in diesem Spruch, der mir erst wie ein netter Witz erschien, immer mehr Wahrheit.

Auf die weiteren Konnotationen des Fallen-lassens im philosophischen Sinn muss ich wohl nicht weiter eingehen. Sabine sagte neulich zu mir „Aikido ist echt wie das Leben. Es geht immer nur darum, loszulassen.“ Wohl wahr.

Sonja

PS: Was ich noch erwähnen wollte: Gestern hatten wir außer Heike und Oli auch zwei Yudansha zu Gast im Training (Sven und Zoran) und ich hatte den Eindruck, dass dadurch das Training an Dynamik gewonnen hat. Selbst wenn die Danträger mal unter sich trainieren anstatt mit einem Kyugrad, steckt das dynamische Trainieren offensichtlich an und breitet sich über die Matte aus. Mentale Notiz: Dynamischer vormachen, dann wird auch dynamischer trainiert.

Das Training gestern Abend hat mich innerlich wirklich etwas von den Socken gehauen, und das nicht nur, weil dabei Sätze vom Wochenende aufgetaucht sind, an die ich mich schon gar nicht mehr erinnern konnte (und ich hätte auch nicht gedacht, dass Ben sich noch daran erinnern könnte) 🙂 Ich hätte mir gestern abend gewünscht, dass jemand meine Gedanken während des Trainings in meinem Kopf notiert, damit sie mir nicht gleich wieder entfallen… Für sowas ist so ein Blog dann ganz nützlich, denn da kann man bzw ich dann diese Gedanken festhalten.

Ich bin immernoch am Herumdenken um Atteru und Kontakt. Auch gestern haben wir das gegen den Angriff ai hanmi geübt. Und plötzlich trafen Atteru und die Idee eines gemeinsamen Mittelpunktes zusammen. Na klar – zwei Energien treffen aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander. Der Konflikt findet in der Mitte statt, also dort, wo sich die Energien gegenüberstehen und wo sie sich berühren. Um diese Mitte herum muss die Konfliktlösung passieren. Das macht Sinn im technischen und im philosophischen Kontext. Toll, wenn man von Dingen, die man auf einem Lehrgang vor fast einem halben Jahr gehört hat, noch so lange zehren kann – in diesem Fall von dem, was Jorma Lyly in Herrenberg erzählt hat.

Und noch etwas fiel an seinen Platz (wie man auf englisch so schön sagt). Auch Jules erwähnte am Wochenende, dass man beim Anlehnen sein eigenes Zentrum ein kleines bisschen aufgeben muss. Lyly hatte das in Herrenberg auch erwähnt. Erst hatte ich das nicht kapiert. Wieso soll ich als Nage mein Zentrum aufgeben?! Ist doch irgendwie hirnrissig. Aber mittlerweile habe ich das überdacht und stimme absolut zu. Wenn wir von „Anlehnen“ sprechen, dann geht es (egal ob Nage oder Uke) ja nicht darum, sich so weit aus dem eigenen Zentrum zu begeben, dass man – würde der andere plötzlich loslassen – umfallen würde. Sondern es geht darum, Kontakt aufzunehmen, dem anderen entgegen zu kommen, aber ohne dabei das eigene Zentrum zu verlieren. Im Atteru-Artikel spricht der Autor davon, dass Endo Sensei, wenn er ohne Atteru angegriffen wird, erst mal Uke „wegschiebt“ und so durch sein eigenes Atteru Uke zeigt, dass er genau das auch tun muss.
Nicht nur Uke lehnt sich an. Auch Nage muss das tun. Sonst geht der Kontakt nur in eine Richtung. Vielleicht kann man sogar so weit gehen zu sagen, dass man nur dann echten Kontakt zurückbekommt, wenn man ihn selbst auch gibt. Auch im übertragenen Sinn würde das Sinn machen. Jede menschliche Beziehung, egal ob freundschaftlicher, geschäftlicher oder romantischer Art, ist eine Kontaktaufnahme. Wenn beide bereit sind, sich anzulehnen – also Kontakt aufzunehmen und so die Sicherheit des eigenen Zentrums bzw des eigenen Standpunktes für einen Augenblick zumindest zu überdenken – dann kann man sich in der Mitte treffen. Das bedeutet für mich nicht, dass es darum geht, faule Kompromisse zu treffen (Terry Dobson nennt dies „0-0-Ergebnisse“, bei denen beide Seiten weder gewinnen noch verlieren; im Gegensatz zu 1-0-Ergebnissen, bei denen einer gewinnt und der andere verliert – das denkbar schlechteste Ergebnis bei einem Konflikt. Das optimale Ergebnis ist ein 1-1-Ergebnis, auch wenn die Fußballer unter uns sowas natürlich nicht gerne hören…). Mal ehrlich – wann sind wir in einem Konflikt denn schon 100%ig im Recht? Und was bedeutet das überhaupt, im Recht zu sein? In 99% der Fälle sind wir doch irgendwie am Entstehen eines Konfliktes beteiligt, wenn auch oft ungewollt oder unbewusst. Deshalb scheint es mir nur sinnvoll, die eigene Rolle in einem Konflikt zu überdenken und zumindest zu versuchen, den Standpunkt des anderen nachvollziehen zu können.

Techniken haben immer einen Mittelpunkt, der zwischen Uke und Nage liegt. Um diesen Mittelpunkt dreht sich alles. Wie im Universum. Interessanterweise ist ja jeder gedachte Punkt des Universums auch dessen Mittelpunkt (ich hoffe ich habe im Physikunterricht richtig aufgepasst). Auch wir leben jeder von uns in einer eigenen kleinen Welt um die herum sich alles andere dreht. Wenn man den Drehpunkt zumindest mal zwischen sich und die anderen verlegen kann, anstatt sich selbst als Nabel der Welt zu betrachten, muss das doch mal im ganz Kleinen ein guter Anfang sein, um die Menschheit zu vereinen, so wie O-Sensei sich das gedacht hat. Zumindest theoretisch.

Sonja

Keiko ist das oft gebrauchte japanische Wort für Training. Es steht hier allerdings nicht für das rein körperliche Trainieren (das wäre Renshu, dies wird aber in den Künsten, die einem Weg (Do) folgen, wenig benutzt), sondern vielmehr dafür, dass dabei „Technik, Energie und Geist zusammenkommen“ und eins werden sollen. Keiko heißt übersetzt auch „die Handlung überdenken“. Das trifft meiner Meinung nach sehr gut, wie man trainieren (und vielleicht auch wie man Training geben) sollte.

Gestern waren wir nur zu sechst auf der Matte, ein kleines, ruhiges Training, aber sehr intensiv, wie ich fand. Jules und ich konnten beide nicht mittrainieren und so gab es für die Trainierenden jede Menge Aufmerksamkeit und Korrektur von beiden Seiten.

Für mich persönlich war es genau das, was Keiko besagt – nämlich ein Training in dem ich viele Dinge überdacht habe. Auf verschiedenen Ebenen. Technisch hatte ich gestern Gelegenheit, mehr über diverse Aspekte nachzudenken, die ich am Wochenende bei Subileau gelernt oder zumindest gesehen habe und die mir dort beim Zusehen durch den Kopf gingen. So konnte ich zum Beispiel gestern mein Verständnis von Kontakt und dessen Bedeutung bzw Wichtigkeit weiter ausbauen – ein Thema das mich generell in der letzten Zeit oft beschäftigt. Kontakt ist das, was mich dazu befähigt, meinen Angreifer zu spüren. Kontakt hilft mir dabei, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wo die Technik lang geht und wo nicht, ob ich die richtige Maai habe oder nicht, ob ich mit Kraft arbeite oder die Kraft aus dem Boden und meinem Zentrum hole oder nicht. Ohne Kontakt kein Aikido und schon gar kein „Lernen“ des Aikido. Kontakt kann ich aber nur dann lernen, wenn Uke dazu in der Lage ist, mir Kontakt zu geben. Mal wieder gehen Ukemi und Nage waza Hand in Hand – Yin und Yang – eines ohne das andere ist unmöglich. Und umgekehrt: wenn ich als Uke lerne, Kontakt zu geben und zu halten, kann ich diesen Kontakt auch als Nage anfangen zu erspüren. Was wirklich abgefahren ist: durch meine Aufmerksamkeit auf diesem Thema und meine Beschäftigung damit fange ich an, nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis zu erfahren, dass Kontakt auch ohne körperliche Berührung möglich ist. Als Nage bekomme ich das natürlich noch nicht wirklich hin, aber als Uke habe ich das schon gespürt. Ganz schön abgefahren…

Gerade die Sache mit dem Kontakt finde ich unheimlich schwer zu vermitteln und lange Zeit wusste ich nicht, wie ich das erklären und rüberbringen soll. Gestern haben wir ein paar schöne Übungen dazu gemacht und es hat mich echt sehr gefreut zu sehen, dass wir alle zusammen angefangen haben, Kontakt nicht nur mit dem Kopf sondern auch mit dem Körper zu verstehen. Und es ist beim Zusehen deutlich, wie sehr sich alle darum bemühen, zu spüren und Kontakt herzustellen. Der schönste Moment für mich gestern Abend war, als mir das bewusst wurde.

Ein weiteres Thema von gestern Abend war der Drehpunkt des Irimi nage, bzw. der Punkt kurz vor dem Wurf, wenn Uke gerade hochgekommen ist und der Wurf an der Schulter eingeleitet wird. Subileau hatte am Wochenende ja das schöne Beispiel mit dem Hochheben des Gewichts gebracht. Eigentlich hatte er das zwar bei Tenchi nage gezeigt, die Bewegung und das dahinterstehende Prinzip sind aber gleich. Dieses Bild hat bei mir echt ein Licht im Kopf angemacht. Darauf sind Jules und ich bei der Korrektur ganz schön rumgeritten, glaube ich, aber ich für meinen Teil nur deshalb, weil ich endlich verstanden habe, was dabei eigentlich passiert und warum das passieren muss.

Diese beiden Dinge erscheinen mir momentan als sehr grundlegend und deshalb habe ich das Training gestern Abend als sehr intensiv und „wichtig“ empfunden. Und es macht mir unglaublich viel Spaß zu sehen, dass „unsere Schüler“ diese Sachen auch so spannend finden wie wir, dass sie versuchen sie umzusetzen und das tatsächlich auch hinbekommen. Ohne Schüler die ich anleiten darf, müsste ich nie über alle diese Sachen so intensiv nachdenken. Als Lehrer muss ich mich immer wieder fragen, worauf es eigentlich ankommt bei Techniken und bei Aikido ganz allgemein, denn genau das will und sollte ich ja versuchen, weiterzugeben. Ich denke das ist einer der Gründe, warum auch der Lehrer am Ende eines Trainings zu den Schülern „Domo arigato gozaimashita“ sagt.

Sonja