Man ist wo man ist…

März 18, 2008

„Es ist was es ist“ habe ich an dieser Stelle ja schon mal diskutiert. In den letzten Tagen musste ich feststellen: „Man ist *wo* man ist“. Nachdem mir Stefan Stenudds Buch in Schweden mal wieder über den Weg gelaufen ist, dachte ich mir, ich sollte das vielleicht nochmal lesen. Ist schon eine ganze Weile her, dass ich es zum ersten Mal gelesen habe. Ich weiß noch wie ich damals dachte, dass ich manches darin schon ganz schön abgefahren fand. Nachdem ich das Buch jetzt zum zweiten Mal schon halb durchgelesen habe, kann ich jedem nur empfehlen, gute Aikido-Bücher immer und immer wieder zu lesen. Sie werden nicht langweilig, das garantiere ich, denn jedes Mal ist man selbst ja wieder mit dem eigenen Verständnis an einer anderen Stelle und versteht so das Geschriebene endlich oder versteht es neu und anders. Eine gute Aikidobibliothek muss also nicht umfassend und teuer sein um einen lange zu beschäftigen 🙂

Im Zusammenhang mit diesem Verständnis und dem Lesen von Büchern kommt mir langsam allerdings auch der Verdacht, dass das Lesen zwar mein Wissen aber nicht mein Verstehen direkt verbessert (ich glaube so ähnlich steht das sogar in dem Buch drin). Stenudd schreibt, dass zuerst das Wissen kommt. Also das Ansammeln von Informationen auf theoretische Art und Weise. Aber dann erst kommt das Verstehen. Und sobald man versteht kann man das Wissen vergessen und den Hasen geben. Macht Sinn, oder? So ähnlich geht es mir jedenfalls mit Aikido-Büchern:

Manches darin kapiere ich schlichtweg nicht und ist noch zu hoch für mich. Auch wenn es mir drei Mal vorgekaut wird, so werde ich es trotzdem nicht verstehen. Weil ich offensichtlich noch nicht an dem richtigen Punkt bin um es zu verstehen.
Anderes glaube ich zu verstehen, auf eine theoretische Art. Mein Kopf denkt sich „ja, da ist was dran“, aber richtig „verstanden“ habe ich es noch nicht. So ging es mir mit vielem in diesem Buch als ich es zum ersten Mal las.
Und dann gibt es manchmal Sachen, die liest man und man versteht einfach. Mit Körper, Seele und Geist. Und alle drei rufen laut „ja, genau!!!“. Beim momentanen Lesen des Buches geht es mir schön öfter so als beim ersten Mal. Was ist der Unterschied? Ein paar Jahre Training, viel keiko, körperliches Üben. In letzter Zeit macht es mich manchmal echt fertig (im positiven Sinn) wie eng der Zusammenhang zwischen physischem Üben und geistigem/emotionalem Verstehen ist. Und dann auch noch, wie sich mit jedem kleinen Schrittchen des Verstehens neue Türen öffnen und das was man nicht versteht immer mehr wird 🙂 Das ist ein tolles Paradoxon so wie eine Tafel Schokolade die immer größer wird je mehr man davon isst. Wer mich kennt weiß, dass das meine Vorstellung vom Himmel ist 🙂

Ich lerne außerdem immer mehr, dass ich die kleinen Schritte des Verstehens nicht beschleunigen kann. Man ist eben wirklich wo man ist und nirgendwo anders. Und wo man ist, ist streng genommen völlig egal. Die Schritte sind das was zählt, nicht wie weit man damit gekommen ist. Ein guter Lehrer merkt dann genau, wo der Schüler steht und was er braucht um den nächsten Schritt zu machen. Sottaku doji. Das zusammen mit Training lässt uns Schritte machen. Einen nach dem anderen, mit Geduld (die ich noch nie wirklich hatte…) und ohne zu rennen. Vielleicht darf ich an dieser Stelle mal wieder meinen Held Pohlmann zitieren, der in seinem Lied „Die Liebe“ singt:

„Und die Träume nach Perfektion
Haben lange schon nach uns geschrieh’n
Und sie machen dass wir so schnell laufen wollen
Als wollte einer der Erste sein
Es bringt ja nichts zu versuchen aufzuholen
Denn wer rennt rennt oft allein.“

Er singt da ja eigentlich über die Liebe und nicht über Aikido – schon klar – aber irgendwie ist das doch alles sowieso das gleiche, oder?

Besonders gut hat mir beim Lesen des Buches gefallen, dass Stenudd beschreibt, dass Aikido nicht wie Wasser oder wie Luft sein sollte (obwohl beides schon ziemlich erstrebenswert und schwer zu erreichen ist), sondern wie ein Vakuum. Ein Vakuum ist die *Abwesenheit* von etwas. Das finde ich sehr spannend und es passt in die Idee, dass man nicht sich selbst zum Mittelpunkt der Bewegung macht, nicht das Ego, sondern dass man versucht sich leer zu machen und einen gemeinsamen Mittelpunkt mit Uke zu finden. Jorma sagte in einem Interview im Aikidojournal ja mal, dass man seiner Meinung nach „Raum in sich selbst“ für Uke schaffen muss. Das finde ich sehr schön und nachdenkenswert.

Gestern Abend im Training haben wir wieder die Highfalls gegen irimi nage geübt und ich war von den Socken, wie das anfängt zu funktionieren und die ersten sich gestern tatsächlich aus der Technik im Stand gegenseitig so geworfen haben und sich auch das Fallen zugetraut haben. Einerseits ist das ja von mir nicht ganz uneigennützig – je mehr Leute das können umso öfter kann ich es auch selbst üben und trainieren, und das macht einfach einen Höllenspaß. Andererseits aber glaube ich, dass dieses Fallen auch das Gespür für den Kontakt verbessert und generell das Verständnis von Ukemi verändert.

Heute und morgen werde ich meinen Knien, die von den Plastikmatten in Schweden und im Böblinger Murkenbachdojo vom letzten Wochenende ziemlich mitgenommen sind, eine Pause gönnen, damit ich am Wochenende in Düsseldorf bei Mouliko Halén richtig mitmachen kann. Ich freu mich schon sehr drauf!

Sonja

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Katze aus dem Sack

September 12, 2007

Nachdem Zoran gestern Abend im Training die Katze aus dem Aikido-Sack ließ, kann ich ihm endlich auch hier ganz offiziell zum bestandenen Sandan gratulieren. O-medetou gozaimasu!!! Ich hätte diese Prüfung wirklich gerne mit eigenen Augen gesehen und hoffe sehr, dass ich sie „aus der Dose“ ansehen darf 🙂

Gestern abend gab Gaby für Martin das Training, welches unter dem Motto Randori bzw Jiyu-waza stand. Ich hatte seit meiner Shodanprüfung nur einmal Jiyu-waza gemacht und fand es interessant zu sehen, ob und wenn ja wie sich das bei mir in der Zwischenzeit weiterentwicklt hat. Ob das nun gut oder schlecht war, kann ich hinterher gar nicht sagen, aber ich war wenig gestresst dabei, kam nicht außer Atem und (in Anlehnung an Subileaus Hinweis) habe mich gefreut, dass ich auch auf einen völlig unerwarteten Griff zum Ärmel (statt eines Schlagangriffs – was die Vorgabe des Jiyu-waza von Gaby gewesen war) reagieren konnte. Hat Spaß gemacht – ich würde gerne öfter Jiyu-waza oder Randori üben. Noch so ein gefühltes Loch in meinem Aikido…

Sonja

Shiho nage

August 17, 2007

Im Rahmen der Blogeinträge, die nach meinen Lieblingssongs benannt sind, folgt heute eine Hommage an Joss Stone: I fell in love with a boy shiho nage.

Gestern im Training in Esslingen habe ich u.a. shiho nage gegen gyaku hanmi mit Harald geübt. Fleißige Blog-Leser werden sich erinnern, dass Harald und sein legendärer, im Karate gelernter Stand schon mal hier aufgetaucht sind. Ich trainiere gerne mit Harald, weil eben jener Stand und seine immense Kraft in den Handgelenken eine echte Herausforderung darstellen und mir jedes Mal etwas beibringen – meist Bescheidenheit :-p

Nun gut, gestern war also shiho nage dran. Bei den ersten paar mal stand Harald – wie erwartet – wie Schillers Glocke, Kuzushi war noch nicht mal ansatzweise vorhanden und meine Muskeln meldeten mir, dass das, was ich da versuchte, nicht viel mit Kraftlosigkeit zu tun hatte. Ich fühlte mich in meine ersten Aikido-Jahre zurückversetzt, in denen sich meine Uke entweder aus der Technik drehen oder aber stehen konnten, ohne dass ich ihr Gleichgewicht gebrochen hatte – ganz im Gegensatz zu meinem eigenen Gleichgewicht, das ich vor allem bei der tenkan Ausführungen selbst zu verlieren schien. Grummel.

Gestern bin ich ganz gut damit klargekommen und nach etwas probieren wurde das ganze dann sogar recht fließend und mühelos, Harald hatte seinen Stand verloren und von Rausdrehen konnte keine Rede mehr sein. Klar, wie Volker gestern so schön zu mir sagte: Man muss auch mal einfach Trainieren können (Kontext: wir hatten gerade eine eher ungewöhnliche Hebeltechnik geübt, mit der wir uns erst mal vertraut machen mussten, bevor wir anfangen konnten, die Technik und Nage auszutesten). Aber mit Leuten zu üben, die nicht weich wie Butter sind, ist eine Herausforderung und wenn man das dann halbwegs hinbekommt, ist das schon auch ein klitzekleines Erfolgserlebnis.

Shiho nage tenkan gehört mittlerweile echt zu meinen Lieblingstechniken und es macht mir irre viel Spaß, weiter an dieser Technik zu feilen. Genau wie bei Irimi nage (ich finde das Synonym „20-Jahre-Technik“ eine eklatante Untertreibung) hätte ich in den ersten Jahren nie gedacht, dass das mal so sein würde. Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder und mir wird sogar der harte Koshi nage noch sympatisch. Die Hoffnung stirbt zuletzt…

Sonja

…sondern nur mit handfesten Fakten komme ich heute daher: Endlich sind die ersten Fotos vom Hüttenseminar auf unserer Website online. Vielen Dank an Volker, der ja leider nicht selbst mittrainieren, aber dafür Fotos machen konnte 🙂

Er hat außerdem auch ein paar kurze Clips gefilmt, die ich zwar nicht auf die Plattenhardter Website stellen, euch aber trotzdem nicht vorenthalten wollte. Zu sehen gibt es sie hier (ich werde sie im Lauf des Tages alle bei YouTube hochladen):

Nikkyo
Shiho nage 1
Kote gaeshi
Kokyo nage
Shiho nage 2

Sonja

Das Training gestern Abend hat mich innerlich wirklich etwas von den Socken gehauen, und das nicht nur, weil dabei Sätze vom Wochenende aufgetaucht sind, an die ich mich schon gar nicht mehr erinnern konnte (und ich hätte auch nicht gedacht, dass Ben sich noch daran erinnern könnte) 🙂 Ich hätte mir gestern abend gewünscht, dass jemand meine Gedanken während des Trainings in meinem Kopf notiert, damit sie mir nicht gleich wieder entfallen… Für sowas ist so ein Blog dann ganz nützlich, denn da kann man bzw ich dann diese Gedanken festhalten.

Ich bin immernoch am Herumdenken um Atteru und Kontakt. Auch gestern haben wir das gegen den Angriff ai hanmi geübt. Und plötzlich trafen Atteru und die Idee eines gemeinsamen Mittelpunktes zusammen. Na klar – zwei Energien treffen aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander. Der Konflikt findet in der Mitte statt, also dort, wo sich die Energien gegenüberstehen und wo sie sich berühren. Um diese Mitte herum muss die Konfliktlösung passieren. Das macht Sinn im technischen und im philosophischen Kontext. Toll, wenn man von Dingen, die man auf einem Lehrgang vor fast einem halben Jahr gehört hat, noch so lange zehren kann – in diesem Fall von dem, was Jorma Lyly in Herrenberg erzählt hat.

Und noch etwas fiel an seinen Platz (wie man auf englisch so schön sagt). Auch Jules erwähnte am Wochenende, dass man beim Anlehnen sein eigenes Zentrum ein kleines bisschen aufgeben muss. Lyly hatte das in Herrenberg auch erwähnt. Erst hatte ich das nicht kapiert. Wieso soll ich als Nage mein Zentrum aufgeben?! Ist doch irgendwie hirnrissig. Aber mittlerweile habe ich das überdacht und stimme absolut zu. Wenn wir von „Anlehnen“ sprechen, dann geht es (egal ob Nage oder Uke) ja nicht darum, sich so weit aus dem eigenen Zentrum zu begeben, dass man – würde der andere plötzlich loslassen – umfallen würde. Sondern es geht darum, Kontakt aufzunehmen, dem anderen entgegen zu kommen, aber ohne dabei das eigene Zentrum zu verlieren. Im Atteru-Artikel spricht der Autor davon, dass Endo Sensei, wenn er ohne Atteru angegriffen wird, erst mal Uke „wegschiebt“ und so durch sein eigenes Atteru Uke zeigt, dass er genau das auch tun muss.
Nicht nur Uke lehnt sich an. Auch Nage muss das tun. Sonst geht der Kontakt nur in eine Richtung. Vielleicht kann man sogar so weit gehen zu sagen, dass man nur dann echten Kontakt zurückbekommt, wenn man ihn selbst auch gibt. Auch im übertragenen Sinn würde das Sinn machen. Jede menschliche Beziehung, egal ob freundschaftlicher, geschäftlicher oder romantischer Art, ist eine Kontaktaufnahme. Wenn beide bereit sind, sich anzulehnen – also Kontakt aufzunehmen und so die Sicherheit des eigenen Zentrums bzw des eigenen Standpunktes für einen Augenblick zumindest zu überdenken – dann kann man sich in der Mitte treffen. Das bedeutet für mich nicht, dass es darum geht, faule Kompromisse zu treffen (Terry Dobson nennt dies „0-0-Ergebnisse“, bei denen beide Seiten weder gewinnen noch verlieren; im Gegensatz zu 1-0-Ergebnissen, bei denen einer gewinnt und der andere verliert – das denkbar schlechteste Ergebnis bei einem Konflikt. Das optimale Ergebnis ist ein 1-1-Ergebnis, auch wenn die Fußballer unter uns sowas natürlich nicht gerne hören…). Mal ehrlich – wann sind wir in einem Konflikt denn schon 100%ig im Recht? Und was bedeutet das überhaupt, im Recht zu sein? In 99% der Fälle sind wir doch irgendwie am Entstehen eines Konfliktes beteiligt, wenn auch oft ungewollt oder unbewusst. Deshalb scheint es mir nur sinnvoll, die eigene Rolle in einem Konflikt zu überdenken und zumindest zu versuchen, den Standpunkt des anderen nachvollziehen zu können.

Techniken haben immer einen Mittelpunkt, der zwischen Uke und Nage liegt. Um diesen Mittelpunkt dreht sich alles. Wie im Universum. Interessanterweise ist ja jeder gedachte Punkt des Universums auch dessen Mittelpunkt (ich hoffe ich habe im Physikunterricht richtig aufgepasst). Auch wir leben jeder von uns in einer eigenen kleinen Welt um die herum sich alles andere dreht. Wenn man den Drehpunkt zumindest mal zwischen sich und die anderen verlegen kann, anstatt sich selbst als Nabel der Welt zu betrachten, muss das doch mal im ganz Kleinen ein guter Anfang sein, um die Menschheit zu vereinen, so wie O-Sensei sich das gedacht hat. Zumindest theoretisch.

Sonja

Philosophy in motion

Juli 18, 2007

Gestern Abend ging ich sehr beschwingt zu Bett und hatte immer noch die letzte Technik „in den Knochen“ (auf positive Art und Weise), die Martin mit uns im Training machte – Ikkyo gegen ushiro ryote tori in einer abgewandelten Version, die wir zwar schon einmal gemacht hatten, aber das ist eine ganze Weile her und damals hat sich das für mich noch ganz anders angefühlt.

Martin hatte einen „runden Abend“ gestern und die Techniken waren sehr fließend, also eben rund, ein besseres Wort fällt mir dazu nicht ein. Gerade die erwähnte letzte Technik hatte es mir besonders angetan. Ich habe da zusammen mit Holger gearbeitet und er hatte anfangs ziemliche Probleme damit, das nachzumachen, was Martin da gerade gezeigt hatte. Wir haben dann zusammen daran gearbeitet und ich fand es ganz schön schwierig, diese Technik zu erklären und zu erkennen wo und warum Holger damit Probleme hat. Letztendlich haben wir es dann aber hinbekommen und Holger durfte sogar in der Mitte vormachen, worauf es Martin bei der Technik ankam. Cool! 🙂 Ich glaube wir haben beide viel dabei gelernt.

Überhaupt hatte ich gestern ein richtig tolles Training. Rund in jeder Hinsicht. Ich wurde daran erinnert, dass vieles einfach auch an der eigenen Einstellung liegt, daran was man selbst mit ins Training bringt, was man bereit ist zu geben, und was man bereit ist, anzunehmen. Früher hätte ich immer kotzen können, wenn mir meine Eltern mit Schulweisheiten kamen 🙂 , aber an Sprüchen wie „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ ist schon irgendwie was dran…

Hinterher im Clubraum gab es dann eine interessante Diskussion zwischen Martin, Jochen, Georg, Birgit und mir zum Thema „was wollen wir eigentlich von Aikido“ bzw. „worin liegt für uns die individuelle Faszination“. Und dann haben wir gleich noch diskutiert, was einen „guten“ Aikido-Lehrer ausmacht. Im Nachhinein denke ich, dass sich diese Themen eigentlich sogar überschneiden.

Ich habe danach noch länger darüber nachgedacht, warum es gerade Aikido ist, das ich mache und was mich fasziniert und gefangen hält. Martin sprach davon, dass ihn von Anfang an die Kraftlosigkeit des Aikido fasziniert habe (ich glaube an die habe ich lange Zeit gar nicht richtig geglaubt und hatte die eher für so eine Art Mythos gehalten, so wie den Yeti o.ä. 🙂 ). Jochen sprach von Absichtslosigkeit und Gegenwärtigkeit und anderen Dingen – den genauen Wortlaut seiner Definition bekomme ich leider nicht mehr zusammen.

Für mich fing Aikido irgendwie ganz harmlos an. Ich ging da hin, weil Jules damals die Idee hatte, doch mal zusammen sowas anzufangen. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dort ein „Hobby“ für´s Leben (im wahrsten Sinne des Wortes) zu finden. Anfangs war es ein toller Sport mit netten Leuten und einfach nur sauschwer 🙂 Je länger ich dabei bin, desto mehr Tiefe finde ich, desto mehr Dinge erregen meine Aufmerksamkeit und desto mehr Details (nicht nur technisch) fallen mir auf, die ich verstehen will. Irgendwann wurde mir klar, dass Aikido (von mir ja anfangs als netter Sport total unterschätzt) quasi meine Weltanschauung in Fleisch und Blut ist. Nicht Poetry in motion sondern Philosophy in motion. Ich glaube, das ist es, was ich persönlich in Aikido suche und finde. Und je länger ich dabei bin, desto mehr spüre ich dies auch wirklich körperlich in den Bewegungen. Nicht, dass ich das alles verstehen würde. Aber Aikido ist für mich einerseits ein philosophischer Wegweiser und andererseits eine unerwartete Art, Philosophie körperlich wahrzunehmen. Total spannend!!! Und wenn ich Techniken wie z.B. die von gestern Abend übe, dann merke ich einfach, wie ich vom Fluss und von der Rundheit des Aikido sprichwörtlich abhängig geworden bin 🙂

Kommen wir zum zweiten Thema des Abends: Was macht einen guten Aikido-Lehrer aus? Ein für mich noch ungeklärte Frage ist Georgs Vermutung, dass es keine schlechten Lehrer gibt, nur Lehrer, die nicht auf der eigenen Wellenlänge liegen. Ich denke, bis zu einem gewissen Punkt stimmt das auf jeden Fall, aber ich muss diese Frage noch ein bisschen mit mir rumtragen, bevor ich zu einem Ergebnis komme. Was aber aufjeden Fall stimmt, ist, dass jeder bei einem Lehrer etwas anderes sucht (so wie oben beschrieben bei Aikido generell). Jochen möchte z.B., dass ihn ein Lehrer neugierig macht und mehr als nur Technik bespricht. Das kann ich, glaube ich, nachvollziehen. Für mich muss ein guter Lehrer enthusiastisch sein, fühlbare Liebe für Aikido haben, und in mir dafür ein Feuer entfachen können. Gute Technik ist mir natürlich auch wichtig, aber das allein würde mich nicht dazu bringen, bei jemandem zu trainieren. Und was Martin sagte, finde ich ebenfalls zutreffend: Ein guter Lehrer darf selbst nie stehen bleiben und aufhören, sich weiter zu entwickeln. Mit anderen Worten, ein guter Lehrer bleibt selbst immer auch Schüler.

Daneben gibt es noch andere Dinge, die einen guten Lehrer (für mich) von einem weniger guten unterscheiden, aber die sind eher zweitrangig. Sollte mir noch was Wichtiges einfallen, werde ich es ergänzen 🙂

Heute Abend geht es dann ab zum Hüttenseminar. Ich freue mich schon diebisch auf das Training, die nette Gruppe und auch auf das Shiatsu. Ach ja, und auf den Whisky 🙂

Sonja

Keiko ist das oft gebrauchte japanische Wort für Training. Es steht hier allerdings nicht für das rein körperliche Trainieren (das wäre Renshu, dies wird aber in den Künsten, die einem Weg (Do) folgen, wenig benutzt), sondern vielmehr dafür, dass dabei „Technik, Energie und Geist zusammenkommen“ und eins werden sollen. Keiko heißt übersetzt auch „die Handlung überdenken“. Das trifft meiner Meinung nach sehr gut, wie man trainieren (und vielleicht auch wie man Training geben) sollte.

Gestern waren wir nur zu sechst auf der Matte, ein kleines, ruhiges Training, aber sehr intensiv, wie ich fand. Jules und ich konnten beide nicht mittrainieren und so gab es für die Trainierenden jede Menge Aufmerksamkeit und Korrektur von beiden Seiten.

Für mich persönlich war es genau das, was Keiko besagt – nämlich ein Training in dem ich viele Dinge überdacht habe. Auf verschiedenen Ebenen. Technisch hatte ich gestern Gelegenheit, mehr über diverse Aspekte nachzudenken, die ich am Wochenende bei Subileau gelernt oder zumindest gesehen habe und die mir dort beim Zusehen durch den Kopf gingen. So konnte ich zum Beispiel gestern mein Verständnis von Kontakt und dessen Bedeutung bzw Wichtigkeit weiter ausbauen – ein Thema das mich generell in der letzten Zeit oft beschäftigt. Kontakt ist das, was mich dazu befähigt, meinen Angreifer zu spüren. Kontakt hilft mir dabei, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wo die Technik lang geht und wo nicht, ob ich die richtige Maai habe oder nicht, ob ich mit Kraft arbeite oder die Kraft aus dem Boden und meinem Zentrum hole oder nicht. Ohne Kontakt kein Aikido und schon gar kein „Lernen“ des Aikido. Kontakt kann ich aber nur dann lernen, wenn Uke dazu in der Lage ist, mir Kontakt zu geben. Mal wieder gehen Ukemi und Nage waza Hand in Hand – Yin und Yang – eines ohne das andere ist unmöglich. Und umgekehrt: wenn ich als Uke lerne, Kontakt zu geben und zu halten, kann ich diesen Kontakt auch als Nage anfangen zu erspüren. Was wirklich abgefahren ist: durch meine Aufmerksamkeit auf diesem Thema und meine Beschäftigung damit fange ich an, nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis zu erfahren, dass Kontakt auch ohne körperliche Berührung möglich ist. Als Nage bekomme ich das natürlich noch nicht wirklich hin, aber als Uke habe ich das schon gespürt. Ganz schön abgefahren…

Gerade die Sache mit dem Kontakt finde ich unheimlich schwer zu vermitteln und lange Zeit wusste ich nicht, wie ich das erklären und rüberbringen soll. Gestern haben wir ein paar schöne Übungen dazu gemacht und es hat mich echt sehr gefreut zu sehen, dass wir alle zusammen angefangen haben, Kontakt nicht nur mit dem Kopf sondern auch mit dem Körper zu verstehen. Und es ist beim Zusehen deutlich, wie sehr sich alle darum bemühen, zu spüren und Kontakt herzustellen. Der schönste Moment für mich gestern Abend war, als mir das bewusst wurde.

Ein weiteres Thema von gestern Abend war der Drehpunkt des Irimi nage, bzw. der Punkt kurz vor dem Wurf, wenn Uke gerade hochgekommen ist und der Wurf an der Schulter eingeleitet wird. Subileau hatte am Wochenende ja das schöne Beispiel mit dem Hochheben des Gewichts gebracht. Eigentlich hatte er das zwar bei Tenchi nage gezeigt, die Bewegung und das dahinterstehende Prinzip sind aber gleich. Dieses Bild hat bei mir echt ein Licht im Kopf angemacht. Darauf sind Jules und ich bei der Korrektur ganz schön rumgeritten, glaube ich, aber ich für meinen Teil nur deshalb, weil ich endlich verstanden habe, was dabei eigentlich passiert und warum das passieren muss.

Diese beiden Dinge erscheinen mir momentan als sehr grundlegend und deshalb habe ich das Training gestern Abend als sehr intensiv und „wichtig“ empfunden. Und es macht mir unglaublich viel Spaß zu sehen, dass „unsere Schüler“ diese Sachen auch so spannend finden wie wir, dass sie versuchen sie umzusetzen und das tatsächlich auch hinbekommen. Ohne Schüler die ich anleiten darf, müsste ich nie über alle diese Sachen so intensiv nachdenken. Als Lehrer muss ich mich immer wieder fragen, worauf es eigentlich ankommt bei Techniken und bei Aikido ganz allgemein, denn genau das will und sollte ich ja versuchen, weiterzugeben. Ich denke das ist einer der Gründe, warum auch der Lehrer am Ende eines Trainings zu den Schülern „Domo arigato gozaimashita“ sagt.

Sonja

Onegaishimasu!

Mai 31, 2007

Gerade bin ich bei Aikiweb über einen Thread mit diesem Titel gestolpert und als bekennender Fan von Etikette musste ich natürlich sofort nachlesen, was es da Spannendes zu Lernen gab. Mal wieder gab mir Aikiweb interessante Denkanstöße.

Am letzten Wochenende in Heidenheim wurde – wie bei Takemusu und den meisten anderen Verbänden außer dem DAB üblich – beim Abgrüßen und vor dem Trainieren mit jedem Partner diese Formel benutzt. Das Pendant am Ende des Trainings lautet Domo arigato gozaimashita. Jules und ich hatten dies, als wir unsere Gruppe in Plattenhardt gründeten, ganz bewusst auch eingeführt und ich bin froh darüber. Nicht nur, weil unsere Schüler, wenn sie auf Lehrgänge außerhalb des DAB gehen, nicht verlegen aus der Wäsche schauen, wenn sie jemand so anspricht. Sondern auch, weil ich finde, dass diese Formeln einen wichtigen Beitrag zur Trainingsatmosphäre leistet.

Man sagt onegaishimasu, wenn man jemanden höflich zu etwas auffordern oder um einen Gefallen bitten möchte (die Herleitung kann man hier nachlesen). Im Aikido-Kontext bedeutet es also quasi „bitte trainiere mit mir“ oder auch „bitte lass mich von dir lernen“.  Eine weitere (wahrscheinlich etwas freiere) Übersetzung die ich gelesen habe war „bitte lass uns diesen Moment miteinander teilen“. Die enthaltene Höflichkeit und der Respekt sind unübersehbar. Für mich persönlich ist es aber nicht nur eine Bitte an meinen Trainingspartner. Es ist auch eine Erinnerung an mich selbst, wie ich ihn oder sie behandeln sollte. Und wie ich trainieren sollte.

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man jede Technik so trainieren sollte, als übe man sie zum ersten und zum letzten Mal und dass man jeden Partner so behandeln sollte, als hätte man noch nie mit ihm trainiert und als hätte man auch nie wieder die Gelegenheit dazu (bei manchen – zum Glück wenigen – Trainingspartner hat man allerdings den Eindruck, sie legen das als „nach mir die Sinnflut“ aus). Das passt zu der Übersetzung „bitte lass uns diesen Moment miteinander teilen“. Ich habe das selbst schon oft erlebt: Mein Tag war besch***en, das Wetter nervt, es war immer und überall Stau und mir sind mehr als nur ein paar Läuse über die Leber gelaufen. Dann gehe ich in´s Training und packe zusammen mit meinem Hakama und Gi auch gleich meine schlechte Laune mit ein. Dann trainiere ich und je besser ich meinen Trainingspartner kenne, desto mehr lasse ich meine schlechte Laune an ihm oder ihr aus. Nicht gerade nett, kommt aber ehrlich gesagt mal vor… Leute, die ich nicht so gut kenne, müssen unter meiner Laune viel weniger leiden. Also sollte ich mir das oben Beschriebene zu Herzen nehmen und jeden Trainingspartner so behandeln, als ob ich zum ersten Mal mit ihm trainiere. Das beinhaltete auch, unvoreingenommen zu sein, sorgfältig, höflich und respektvoll.  Die meisten Leute, mit denen ich richtig gerne trainiere sind nicht (nur) deshalb Lieblings-Trainingspartner, weil sie ein tolles Aikido machen, sondern weil die Aikido-Chemie beim Üben mit ihnen stimmt. Ich möchte selbst auch solch ein Trainingspartner sein. Onegaishimasu erinnert mich immer auf´s Neue daran.

Sonja

Zuerst die schlechte Nachricht: Da ich weiß, dass ihr unser Blog häufiger lest als die Website, erinnere ich an dieser Stelle nochmal daran, dass am kommenden Freitag und auch am Pfingstmontag kein Training stattfindet 😦 Stattdessen wird über Pfingsten kräftig frittiert – Danke nochmal an alle, die sich für eine Schicht in der Pommesbude eingeteilt haben! Das nächste Training in Plattenhardt ist dann am Freitag, den 1. Juni 2007. Haltet ihr so lange aus ohne Aikido? 🙂 Nicht vergessen: Jules gibt Donnerstags auch Training in Esslingen!

Und hier die gute Nachricht: Jean-Luc Subileau (6. Dan FFAAA) gibt Ende Juni einen Lehrgang in Bruchsal, zu dem alle ab 6. Kyu (also ab weiß!) kommen dürfen! Heißer Tip, schnell anmelden, ab geht´s zum Dojo-Ausflug!!! Infos dazu gibt es hier.

Sonja

Lektion gelernt

Februar 8, 2007

Bisher bin ich im Training ja immer recht ungeschoren davongekommen (toi, toi, toi), das hat sich am Dienstag Abend geändert 🙂

Bei einer Kokyo nage Technik mit dem Stab habe ich meinen Abstand nicht genug eingehalten und habe glatt die Rechnung dafür bekommen – einen satten Tritt an die Nase. Das entsprechende Nasenbluten ließ nicht lange auf sich warten und ab ging´s in die Notaufnahme. Zum Glück nix gebrochen, nur geprellt, auch die Veilchen unter den Augen haben sich nicht wie befürchtet eingestellt.

Aus dieser Sache habe ein paar Dinge gelernt:

1. Auch in der Notaufnahme zahlt man 10,- EUR Praxisgebühr. Unverschämt, eigentlich.
2. Ich muss besonders bei dieser Technik mehr auf meine Maai achten.
3. Meine Nase hält mehr aus, als ich dachte.

Ich musste ja doch über mich lachen: Da rede ich im Training immer über Selbstverteidigung und dann kriege ich eins auf die Nase von jemandem, der mir noch nicht mal weh tun wollte! 🙂

Mal sehen, ob der HNO-Arzt mich heute Abend wieder auf die Matte lässt…

Sonja