YEEEESSS!!! YEEEESSSS!!!
März 24, 2008
…waren die Worte, mit denen uns Mouliko Halén, 6. Dan Aikikai aus Oslo, beim Osterlehrgang in Düsseldorf gleich beim Aufwärmen zum Lachen brachte. Das Lachen war Programm: in den insgesamt 5 Einheiten brach noch oft Gelächter aus aufgrund der Sprüche, Gesten und Bilder die Mouliko so losließ. Der Mann hat echt Humor und er mag offensichtlich Tiere – im Training tauchten Tiger, Tintenfische, Kobras, Schwäne und anderes Getier auf und verdeutlichten uns, was Mouliko vermitteln wollte mit wirklich einprägsamen Bildern die man so leicht wohl nicht vergessen wird. Außerdem konnte man sich ein Bild davon machen was passiert wenn ein Komet auf einen Planeten zufliegt oder (wesentlich einprägsamer!) wenn ein Mann auf eine attraktive Frau trifft 🙂 Die Scherze an sich wären schon genug gewesen um an diesem Wochenende eine ganze Menge Spaß zu haben, aber dazwischen gab es auch Food for Thought, prima Aikido und einen Haufen zum Thema Kontakt und Kommunikation. Wo soll ich nur anfangen…
Ich hatte mich aus verschiedenen Gründen sehr auf das Seminar gefreut. Erst mal weil ich wusste, dass Mouliko ja öfter mal mit Jorma Lyly und Jan Nevelius zusammen arbeitet und sein Stil deshalb wohl mit deren Ideen ziemlich kompatibel sein musste. Mein Kopf ist ja noch immer recht durcheinander von dem was Jorma mir in Stockholm so gezeigt hat und es war richtig super zu sehen, dass ich einiges davon auch bei Mouliko wiedererkannte und so wieder üben konnte. Dabei fiel mir auf, wie viel ich schon wieder vergessen hatte…
Mouliko kündigte gleicht zu Anfang des Seminares an, dass er an dem Wochenende viel auf Kontakt und Communication eingehen wolle und dieses Versprechen hat er dann auch gehalten. Der passende Leitspruch wäre wohl der Slogan den Mouliko auch beim Abendessen am Samstag erwähnte: Nokia – connecting people. Mehrmals an dem Wochenende sagte er: „I think Aikido is a very complex system of communication.“ Diese Kommunikation durfte ich dann beim Training mit vielen netten Leuten üben, die – wie letztes Mal in Düsseldorf auch schon – echt sehr nett, geduldig und hilfsbereit waren. Unsere Stuttgart-Fraktion wurde einmal mehr sehr freundlich aufgenommen und so langsam fällt auf, dass von uns jedes Mal ein paar Leute mehr auftauchen (diesmal Robby, Nathalie, Bogdan und eben ich) und sich der „Kontakt-Virus“ im Großraum Stuttgart weiter verbreitet 🙂 So sagte Mouliko am Ende zu uns: „I have a feeling that this was not the last time that i have met you guys.“ Ach, hat man uns etwa angemerkt, dass es uns gefallen hat?! 🙂
Wir alle vier haben am Wochenende von verschiedenen Seiten prima Tips zur Fallschule bekommen. Das war noch einer der Gründe für meine Vorfreude und die Pointers die ich von Britta, David und Stefan bekam waren mal wieder echt hilfreich: Mit dem Kopf tiefer/enger zwischen die Beine von Nage kommen, weicher werden, die Beine länger gestreckt halten und sobald der Arm die Matte berührt die Bauchmuskeln anspannen um das Aufschlagen der Füße abzubremsen. Da hab ich echt was zum Üben mitbekommen. Auch den Irimi nage Wurf konnte ich nochmal mit Britta üben und bekam von ihr nochmal ein paar Tips dazu die mir glaube ich wirklich geholfen haben.
Überhaupt hatte ich mich darauf gefreut, den Kontakt (haha) zu den Leuten in Düsseldorf etwas weiter ausbauen zu können und nicht nur von einem guten Lehrer sondern auch von echt guten Trainingspartnern lernen zu können. Geht man auf Lehrgänge einer Stilart die für einen neu ist, dann ist es ja immer auch eine Frage des Egos in wie weit man die innere Tasse leeren kann um sie dort neu mit Wissen füllen zu können. Man geht da hin und muss vieles von dem was man kann und weiß loslassen und sich auf Neues einlassen. Anstatt sich auf die erworbene Graduierung zu berufen und einfach das zu machen was man kennt und vielleicht kann, muss man – wenn man etwas lernen und mitnehmen möchte – den Beginners mind mitbringen und man fühlt sich dann in gewisser Weise wirklich wieder wie ein Anfänger. Das wird einem einfacher gemacht, wenn die Leute mit denen man trainiert nicht herablassend oder genervt sind, sondern freundlich und wohlwollend auf einen zukommen. Statt „häh – was machst du denn da???!!!“ habe ich von Anfang an eher eine Art „ach, du bist neu hier – toll dass du dich für diese Sache hier interessierst und herzlich willkommen“ gespürt. Was nicht selbstverständlich ist, wie ich andererorts auch schon erlebt habe. Meine Vorfreude auf Lillsved wird dadurch ebenfalls nur noch größer, denn mit solchen Leuten hat man da eine Woche lang sicher eine ganze Menge Fun.
Technisch habe ich also ganz schön viele Tips zu den geübten Techniken mitgenommen, die ich hier nicht alle aufzählen möchte und kann (dafür gibt es ja das von Mouliko angesprochene Trainings-Tagebuch 😉 ) Aber auch jenseits der Technik hat Mouliko viel erzählt, was mir gut gefallen hat. Zu Beginn fragte er uns, ob und wie wir uns auf das Seminar vorbereitet hätten und fuhr fort zu erzählen, dass es seiner Meinung nach wichtig sei, etwas mit ins Training zu bringen und ein Ziel zu haben. Jeder im Raum könne bzw müsse zum Lehrgang bzw Training beitragen anstatt nur aufzutauchen und zu nehmen. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann ist das einerseits wichtig, weil das Ergebnis, die Atmosphäre und Intensität im Training natürlich eine Art Gemeinschaftsprodukt sind. Andererseits sei es aber auch wichtig, alles was man macht, mit einem gewissen Ziel zu machen. Nicht unbedingt im Sinne von Ehrgeiz sondern im Sinne von Fokus. Das ist jetzt mal meine Interpretation des Gesagten und muss deshalb mit einer Prise Salz gelesen werden. Aber ich denke das macht Sinn, denn wie kann man erwarten etwas zu finden wenn man noch nicht mal weiß wonach man eigentlich sucht?! In meinem eigenen Training – sowohl wenn ich selbst trainiere als auch wenn ich Training gebe – merke ich jedenfalls einen Unterschied seit ich weiß, was ich suche und was ich will. Und wenn ich etwas mitbringe und zum Training beitrage, dann darf ich wieder etwas annehmen und aus dem Training mitnehmen. Geben und Nehmen, was sich mal wieder auf das ganze Leben übertragen lässt. Das hinterlässt zumindest bei mir ein gutes Gefühl und ich würde das was Mouliko da so sagte sofort unterschreiben.
Fazit: Peter hatte mir im Vorfeld gesagt, dass mir Mouliko sicher gefallen würde, und er hat Recht behalten. Ja, und jetzt bin ich wieder zu Hause und frage mich einmal mehr wo ich nur die Kohle und die Urlaubstage herbekomme um auf all die Lehrgänge zu gehen, die ich gerne besuchen würde…
Sonja
Man ist wo man ist…
März 18, 2008
„Es ist was es ist“ habe ich an dieser Stelle ja schon mal diskutiert. In den letzten Tagen musste ich feststellen: „Man ist *wo* man ist“. Nachdem mir Stefan Stenudds Buch in Schweden mal wieder über den Weg gelaufen ist, dachte ich mir, ich sollte das vielleicht nochmal lesen. Ist schon eine ganze Weile her, dass ich es zum ersten Mal gelesen habe. Ich weiß noch wie ich damals dachte, dass ich manches darin schon ganz schön abgefahren fand. Nachdem ich das Buch jetzt zum zweiten Mal schon halb durchgelesen habe, kann ich jedem nur empfehlen, gute Aikido-Bücher immer und immer wieder zu lesen. Sie werden nicht langweilig, das garantiere ich, denn jedes Mal ist man selbst ja wieder mit dem eigenen Verständnis an einer anderen Stelle und versteht so das Geschriebene endlich oder versteht es neu und anders. Eine gute Aikidobibliothek muss also nicht umfassend und teuer sein um einen lange zu beschäftigen 🙂
Im Zusammenhang mit diesem Verständnis und dem Lesen von Büchern kommt mir langsam allerdings auch der Verdacht, dass das Lesen zwar mein Wissen aber nicht mein Verstehen direkt verbessert (ich glaube so ähnlich steht das sogar in dem Buch drin). Stenudd schreibt, dass zuerst das Wissen kommt. Also das Ansammeln von Informationen auf theoretische Art und Weise. Aber dann erst kommt das Verstehen. Und sobald man versteht kann man das Wissen vergessen und den Hasen geben. Macht Sinn, oder? So ähnlich geht es mir jedenfalls mit Aikido-Büchern:
Manches darin kapiere ich schlichtweg nicht und ist noch zu hoch für mich. Auch wenn es mir drei Mal vorgekaut wird, so werde ich es trotzdem nicht verstehen. Weil ich offensichtlich noch nicht an dem richtigen Punkt bin um es zu verstehen.
Anderes glaube ich zu verstehen, auf eine theoretische Art. Mein Kopf denkt sich „ja, da ist was dran“, aber richtig „verstanden“ habe ich es noch nicht. So ging es mir mit vielem in diesem Buch als ich es zum ersten Mal las.
Und dann gibt es manchmal Sachen, die liest man und man versteht einfach. Mit Körper, Seele und Geist. Und alle drei rufen laut „ja, genau!!!“. Beim momentanen Lesen des Buches geht es mir schön öfter so als beim ersten Mal. Was ist der Unterschied? Ein paar Jahre Training, viel keiko, körperliches Üben. In letzter Zeit macht es mich manchmal echt fertig (im positiven Sinn) wie eng der Zusammenhang zwischen physischem Üben und geistigem/emotionalem Verstehen ist. Und dann auch noch, wie sich mit jedem kleinen Schrittchen des Verstehens neue Türen öffnen und das was man nicht versteht immer mehr wird 🙂 Das ist ein tolles Paradoxon so wie eine Tafel Schokolade die immer größer wird je mehr man davon isst. Wer mich kennt weiß, dass das meine Vorstellung vom Himmel ist 🙂
Ich lerne außerdem immer mehr, dass ich die kleinen Schritte des Verstehens nicht beschleunigen kann. Man ist eben wirklich wo man ist und nirgendwo anders. Und wo man ist, ist streng genommen völlig egal. Die Schritte sind das was zählt, nicht wie weit man damit gekommen ist. Ein guter Lehrer merkt dann genau, wo der Schüler steht und was er braucht um den nächsten Schritt zu machen. Sottaku doji. Das zusammen mit Training lässt uns Schritte machen. Einen nach dem anderen, mit Geduld (die ich noch nie wirklich hatte…) und ohne zu rennen. Vielleicht darf ich an dieser Stelle mal wieder meinen Held Pohlmann zitieren, der in seinem Lied „Die Liebe“ singt:
„Und die Träume nach Perfektion
Haben lange schon nach uns geschrieh’n
Und sie machen dass wir so schnell laufen wollen
Als wollte einer der Erste sein
Es bringt ja nichts zu versuchen aufzuholen
Denn wer rennt rennt oft allein.“
Er singt da ja eigentlich über die Liebe und nicht über Aikido – schon klar – aber irgendwie ist das doch alles sowieso das gleiche, oder?
Besonders gut hat mir beim Lesen des Buches gefallen, dass Stenudd beschreibt, dass Aikido nicht wie Wasser oder wie Luft sein sollte (obwohl beides schon ziemlich erstrebenswert und schwer zu erreichen ist), sondern wie ein Vakuum. Ein Vakuum ist die *Abwesenheit* von etwas. Das finde ich sehr spannend und es passt in die Idee, dass man nicht sich selbst zum Mittelpunkt der Bewegung macht, nicht das Ego, sondern dass man versucht sich leer zu machen und einen gemeinsamen Mittelpunkt mit Uke zu finden. Jorma sagte in einem Interview im Aikidojournal ja mal, dass man seiner Meinung nach „Raum in sich selbst“ für Uke schaffen muss. Das finde ich sehr schön und nachdenkenswert.
Gestern Abend im Training haben wir wieder die Highfalls gegen irimi nage geübt und ich war von den Socken, wie das anfängt zu funktionieren und die ersten sich gestern tatsächlich aus der Technik im Stand gegenseitig so geworfen haben und sich auch das Fallen zugetraut haben. Einerseits ist das ja von mir nicht ganz uneigennützig – je mehr Leute das können umso öfter kann ich es auch selbst üben und trainieren, und das macht einfach einen Höllenspaß. Andererseits aber glaube ich, dass dieses Fallen auch das Gespür für den Kontakt verbessert und generell das Verständnis von Ukemi verändert.
Heute und morgen werde ich meinen Knien, die von den Plastikmatten in Schweden und im Böblinger Murkenbachdojo vom letzten Wochenende ziemlich mitgenommen sind, eine Pause gönnen, damit ich am Wochenende in Düsseldorf bei Mouliko Halén richtig mitmachen kann. Ich freu mich schon sehr drauf!
Sonja
Ich bin verliebt…
Januar 21, 2008
Das Grinsen das mir noch vom letzten Wochenende ins Gesicht geschrieben steht, spricht wohl Bände und wird mir hoffentlich noch eine Weile erhalten bleiben. Vier Trainings bei Jorma Lyly in Düsseldorf: am Freitag Abend direkt im Dojo von Frank Ostoff und am Samstag und Sonntag in einer etwas größeren Halle. Ich hatte einen Riesenspaß und habe mich mal wieder neu in Aikido verliebt.
Als ich am Sonntag Abend nach langer Autofahrt und Stau zu Hause ankam, lief mir direkt Martin über den Weg und fragte sofort: „Na, wie wars?“ Mir gingen gleichzeitig hundert Sachen durch den Kopf, so dass ich gar nicht gleich wusste wo ich anfangen sollte. Auch nach einer Nacht des Sacken-lassens ist das noch nicht wirklich anders…
Die Düsseldorfer sind ja mit diesem Aikidostil sehr vertraut und so erschien mir das, was Jorma dort zeigte und worüber er sprach fortgeschrittener oder besser gesagt filigraner und differenzierter als das, was wir in Plattenhardt zu hören bekamen. Es ging mehr um Ukemi (yes!) und bei eigentlich richtigen Basics ging es sehr in die Tiefe. Vieles war mir sehr neu, die Form von irimi tenkan zum Beispiel oder gewisse Eingänge für Techniken, und mir wurden viele neue Seiten an Dingen bewusst, die ich bisher etwas anders kannte. Die ganze Kontakt-Geschichte hat mich ja schon länger angefixt und es war richtig genial, ein ganzes Wochenende zu haben, um das weiter üben zu können, besonders mit so vielen Leuten die sich damit schon auskennen. Noch dazu waren alle meine Trainingspartner wirklich unheimlich hilfsbereit und geduldig wenn ich mal etwas langsamer üben musste/wollte oder Fragen hatte. Am Samstag Nachmittag gab es dann jede Menge Irimi nage – dessen „hart“ geworfene Form ich ja noch nie gelernt hatte. Gerade da habe ich viel von meinen Trainingspartnern gelernt (danke vor allem an Peter für die „Nachhilfe“ vor dem Training 🙂 ) und richtig viel Spaß gehabt, so dass nicht nur das Fallen dann irgendwann ganz gut lief sondern ich auch langsam ein besseres Gefühl und mehr Zutrauen für den Wurf bekam. Auch bezüglich der Führung des Nackens bei Irimi Nage und über Kote gaeshi nehme ich etwas mit. Aber was mich besonders angesprochen hat war eben die Sache mit dem Kontakt und auch das Ukemi. Es fällt mir schwer zu beschreiben, was genau ich darüber gelernt habe und wahrscheinlich muss sich sowieso alles erst noch setzen und festigen. Aber das Gefühl, dass sich in meinem Körper einstellt, wenn ich mich auf diese Dinge bei den Bewegungen konzentriere, ist einfach super und macht süchtig.
Abgerundet wurde das Wochenende von den netten Leuten, die ich kennen lernen durfte und die mich als „Neue“ wirklich sehr freundlich und offen aufgenommen haben.
So, und wann ist der nächste Lehrgang???
Sonja
All is not lost
Januar 17, 2008
Peters und Stefans Gesichtsausdruck auf dem Foto (das viertletzte Foto auf der Seite) vom Training mit Jorma Lyly spiegelt 1a wieder, was sich diese Woche beim Trainieren größtenteils in meinem Kopf abgespielt hat: „Hääää?!“ Und auch mein Körper konnte nicht immer so ganz genau einordnen, was da gerade mit ihm geschieht, wenn ich Jorma angreifen durfte. Ich hatte unheimlich viel Spaß und fühlte mich wie ein kleines Kind, das seinen ersten Zauberkasten auspackt und feststellt, dass dieser so einfach aussehende Seiltrick ums Verrecken nicht funktionieren will… Es schien mir nicht, als ob ich das was ich bei Jorma sah wirklich verstehen, geschweige denn umsetzen konnte.
Am Donnerstag durfte ich dann für Jules in Esslingen Training geben und habe plötzlich bemerkt, dass sich irgendwas anders anfühlte. Ich kann nicht genau sagen was, aber ich würde es in Richtung „Kontakt“ einordnen. Meine Aufkerksamkeit – geistig und körperlich – hat sich irgendwie leicht verschoben und eine Tür scheint einen Spalt weit aufgegangen zu sein. Um in diesen Spalt meinen Fuß reinzubekommen, fahre ich dann heute auch gleich nach Düsseldorf, um Jorma dort nochmal erleben zu dürfen. Es scheint also, als wäre doch was hängen geblieben und Polen noch nicht ganz verloren – um es mal mit dem Lieblingsspruch meiner Oma auszudrücken.
Technisch gesehen habe ich also jede Menge zu verdauen. Aber auch sonst nehme ich eine Menge mit. Food for thought wäre untertrieben, Buffet for thought kommt schon eher hin. Jorma sagte im Gespräch ein paar Sachen, die ich wirklich ganz klasse fand. Das eine war (sinngemäß und frei übersetzt): „Wir reden im Aikido immer davon, Uke zu kontrollieren. Das hört man ständig. Aber wer oder was gibt uns eigentlich das Recht irgendjemand anderen als uns selbst kontrollieren zu wollen?!“ Und beim Üben einer Technik: „Man wirft Uke nicht. Man hilft ihm zu Boden, zu einem sicheren Ort.
Diese Ebene des Aikido finde ich einfach unglaublich interessant und ich sauge es auf wie ein Schwamm, wenn mich jemand an seinen Ideen und Ansichten dazu teilhaben lässt. Aikido jenseits der Matte im täglichen Leben, zur Verbesserung der menschlichen Interaktion und Kommunikation. Können Konflikte vielleicht nicht nur gelöst werden, sondern sogar zu einer Art Synergie führen? Ich habe eine Definition von Synergie im ökonomischen Bereich gefunden, die man meiner Meinung nach auch für das Leben und Aikido nutzen kann: „Insbesondere bei Unternehmenszusammenschlüssen als Begründung verwendeter Effekt, der ausdrücken soll, dass bei optimaler Kombination von Einzelelementen die sich ergebende Gesamtheit mehr ist als die Summe der Einzelteile.“ Ist sowas möglich? Ich habe auf jeden Fall Lust darauf, darüber nachzudenken und mit dieser Idee auch körperlich rumzuspielen.
Auf nach Düsseldorf…
Sonja
PS: Und noch ein Nachtrag. Jorma sagte in dem Interview im Aikido Journal, dass er denkt, dass man in sich selbst Raum für Uke schaffen muss. Ich hatte das nicht verstanden und bat ihn, mir das zu erklären. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann meinte er folgendes: Wenn es keinen Raum für Uke gibt, dann steht Kraft gegen Kraft. Erst wenn man in sich Raum für Uke lassen kann, können die Energien zusammengeführt werden. Ich denke darum geht es bei Musubi und für mich bedeutet das auch irgendwie, dass ich diesen Raum erst dann erschaffen kann, wenn ich nicht nur voll von mir selbst bin. Noch etwas, worüber es sich für mich lohnt, nachzudenken.
Beschwerden
Dezember 16, 2007
…hagelt es gerade, weil es so lange keine neuen Blog-Einträge gab. Mein Tip: selbst mal einen schreiben 🙂
In den letzten Wochen hatte ich wenig Drang dazu, meine Gedanken hier festzuhalten. Das hatte einerseits mit Zeitmangel zu tun, andererseits aber wohl auch damit, dass der Herbst derart voll war mit Training, Lehrgängen, Workshops, etc., dass ich tatsächlich ein bisschen müde war. „Burn-out“ heißt das wohl auf neudeutsch.
Außerdem sind mir seit dem Lehrgang mit Larry Reynosa viele Dinge im Kopf rumgegangen, die ich erst mal sacken lassen musste und wollte. Zur Strafe hat sich jetzt so viel in meinem Hirn angesammelt, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Vielleicht am besten mit dem, was mich am meisten Nachdenken ließ in den letzten Wochen. Ein Thema das bei dem Lehrgang mit Reynosa Sensei klar auf den Tisch kam, war das des Vertrauens. Wie ich am eigenen Leib bzw. an der eigenen Kehle erfahren durfte. Seine Message: „Don´t trust anybody!“ Auch nicht deinem Sensei oder deinem Vater. Ohne Frage lebt Reynosa Sensei in einem Umfeld, in dem diese Lebensmaxime nicht nur legitim sondern sogar notwendig ist. Sein Anliegen scheint es zu sein, Menschen dabei zu helfen, in einer gewalttätigen Umwelt zu überleben. Nach allem was ich am eigenen Körper so gespürt habe, hat er das auch wirklich drauf und ich hege keinerlei Zweifel an der Effektivität seiner Technik. Aber das was ich im Bauch hatte als ich nach dem Lehrgang wieder nach Hause fuhr, war nicht das warme, enthusiastische Kribbeln, das ich von Lehrgängen kenne, die mich inspirieren und die mir das Gefühl geben, mit anderen verbunden zu sein. Gerade letzteres hat für mich enorme Bedeutung. Im Prinzip läuft es darauf hinaus (welch Widerspruch), was Reynosa Sensei am Anfang des Lehrganges selbst sagte: Wir sind alle verbunden (spätestens seit O-Sensei keine revolutionäre Neuigkeit – ich weiß) und deshalb hat alles, was wir als Individuen tun eine Auswirkung auf die gesamte Menschheit. Was einerseits Verantwortung für uns selbst und die Menschheit bedeutet, ist andererseits für mich persönlich gleichzeitig soetwas wie Trost oder Sicherheit. Was würde es in diesem Kontext bedeuten, niemandem mehr zu trauen? Könnte man da noch diese Verbindung zulassen? Misstrauen ist für mich immer vergleichbar mit einer Tür die ich fest verschließe. Ein anderer Gedanke, der mir bei Misstrauen sofort durch den Kopf geht ist der der Angst. Kann man misstrauisch sein ohne Angst und umgekehrt?
Ein Studienfreund von mir, seines Zeichen paranoider Zyniker, sagte lange bevor ich Aikido kannte mal so etwas ähnliches wie Reynosa Sensei zu mir. Meine Antwort war ein naives „Lieber die Tür aufmachen und mal verletzt werden als immer die Schotten dicht zu haben. Was für ein Leben ist das denn, wenn ich niemandem vertraue und so keine echten Beziehungen eingehe?“ Vertrauen und Beziehungen gehen für mich Hand in Hand. Eines geht nicht ohne das andere. Natürlich ist Vertrauen immer ein Risiko. Manchmal ein lebensgefährliches, schätze ich, besonders wenn man in LA oder der Bronx lebt. Aber wenn ich mir nun wieder vor Augen führe, dass mein Handeln immer die ganze Menschheit beeinflusst, dann kann ich nicht mit ruhigem Gewissen empfehlen, dieses Risiko nicht einzugehen. Gewalt erzeugt Gegengewalt, Kraft erzeugt Gegenkraft. Auch das ist spätestens seit Aikido nicht neues. Was also erzeugt Misstrauen?
Vielleicht bin ich einfach – wie Reynosa Sensei sagte – nur nicht bereit dazu, meinen „place of comfort“ oder das was ich kenne und beherrsche aufzugeben und mir fehlt der Mut dafür, diese Einstellung zu übernehmen. Oder ich hab die Message nicht richtig kapiert. Aber mir ist auf jeden Fall wieder etwas klarer geworden, warum ich Aikido mache und was ich mit Aikido erreichen möchte. Und dass sich das unter Umständen ganz schön davon unterscheidet, was andere in Aikido sehen und suchen. Trotzdem hat alles seine Berechtigung.
Im Kontext von Vertrauen und Misstrauen musste ich – liegt ja nahe – auch viel über Ukemi nachdenken. Martin sagte im Auto zu mir etwas in der Art: „Jedes Mal wenn ich als Lehrer jemanden in die Mitte hole um eine Technik vorzumachen ist das wie eine unausgesprochen Bitte mir zu vertrauen. Man braucht das Vertrauen von Uke, denn man sagt ja quasi „Greif mich an, aber vertraue mir, dass ich dir nicht weh tun werde.“ Jemanden in dieser Sitation zu verletzten, ist ein Vertrauensbruch.“ Darin liegt für mich unheimlich viel Wahrheit und Bedeutung. Meiner Erfahrung nach wächst durch das gemeinsame Training das Vertrauen zueinander (und auch das Vertrauen in sich selbst – interessant…). In den meisten Fällen jedenfalls. Je mehr Vertrauen ich meinen Trainingspartnern und Mitmenschen entgegen bringen kann, desto mehr Vertrauen bekomme ich (fast immer) zurück. Das Resultat: Ängste werden unnötig, Offenheit beginnt und ein echter Austausch (oder mit anderen Worten: Kontakt!) wird möglich. Dann kommt auch zum Vorschein, dass wir eben doch alle verbunden sind und Trennung nur eine Illusion ist. Habe ich O-Sensei falsch verstanden, dass es darum bei Aikido geht? Wenn ich die Menschheit jedenfalls in irgendeiner Weise beeinflussen wollen würde, dann in dieser. Bin ich mit dieser Einstellung schon auf die Schnauze geflogen? Klar. Aber ich habe dadurch auch schon vieles erlebt, was mein Leben extrem bereichert hat.
Sonja
Eine runde Sache…
November 6, 2007
…war – wie ich finde – gestern Abend das Training. Obwohl es wie Sabine in der Umkleide später sagte anspruchsvoll war, schien niemand allzu sehr im Kopf und genügend im Körper zu sein und die Stimmung war sehr gut.
Streng genommen haben wir gestern nichts trainiert, was wir nicht schon viele Male zuvor auch gemacht haben – ikkyo, kote gaeshi, ude kime nage, kokyo nage. Trotzdem empfand auch ich die Einheit als „anspruchsvoll“, ich denke weil wir sehr in die Tiefe gegangen sind. Mir ist gestern auch mal wieder etwas aufgefallen, was eigentlich ja offensichtlich ist: will man eine Technik XY mit dem dazugehörigen Angriff 0815 wirklich genau von vorne bis hinten verstehen, dann trifft man bei jeder Technik immer wieder die gleichen Dinge. Deshalb nennt man diese Dinge wohl auch „Prinzipien“… duh! 🙂 Letztendlich ist es also egal welche Technik man übt – man verbessert immer das ganze Verständnis und die ganzen Fähigkeiten. Ich kann mich noch daran erninnern, als ich als Gelbgurt Dienstags in das Fortgeschrittenen-Training bei Martin gehen durfte. Damals wie heute haben wir da hauptsächlich kokyo nage, Variationen und andere „fortgeschrittenere“ Sachen gemacht – alles aber kein Prüfungsprogramm (zumindest selten). Trotzdem habe ich damals gemerkt, wie sich plötzlich Techniken, die ich eigentlich monatelang nicht im Training geübt hatte, verbessert hatten.
Gut gepasst hat gestern auch, dass sowohl Jules als auch ich uns jeweils auf einen Angriff konzentriert und diesen genau betrachtet haben. Wie genau und warum greift jemand katate ryote tori oder ushiro ryote tori an? Ich finde es gut, die Angriffe genauso selbstverständlich zu üben wie die Verteidigungen dazu, zumal es ja auch hier unterschiedliche Variationen gibt.
An unsere Shiatsu-Sessions am Ende des Trainings habe ich mich mittlerweile so gewöhnt, dass ich sie richtig vermisse, wenn ich in einem Training bin, wo es das am Ende nicht gibt.
Sonja
Food for thought
September 26, 2007
Auf Aikidoforum.de hat gerade jemand diesen Spruch gepostet, der mich nicht nur über Harmonie hat weiter nachdenken lassen, sondern auch über die Homöopathie:
„Der Zustand, da Hoffnung und Zorn, Trauer und Freude sich noch nicht regen, heißtdie Mitte. Der Zustand, da sie sich äußern, aber in allem den rechten Rhythmus treffen, heißt Harmonie. Die Mitte ist die große Wurzel aller Wesen auf Erden, dieHarmonie ist der zum Ziel führende Weg auf Erden.
Bewirke Harmonie der Mitte, und Himmel und Erde kommen an ihren rechten Platz,und alle Dinge gedeihen.“
(Li Gi – Dschung Yung)
Rhythmus scheint mir ein wichtiger Bestandteil von Harmonie zu sein. Eben diese Geschichte von Ebbe und Flut u.s.w. In diesem Zusammenhang erscheint mir auch klarer, wie man als Uke anzugreifen hat. Nevelius beschrieb das ja mit „Here is the contact, now it´s the line of action, now it´s the contact again.“ Obwohl sich das richtig anfühlt, konnte ich doch für mich nicht so richtig in Worte fassen und umformulieren, was das bedeutet. Ich glaube das ganze hat ebenfalls mit Rhythmus zu tun und natürlich mal wieder mit Kontakt. Bin ich mit meinem Kontakt immer und unaufhörlich bei Nage, so kann kein Rhythmus entstehen, es kommt zu einer Art Pattsituation oder eben zu einer Art von Stillstand. Man muss den Rhythmus zwischen Kontakt und Bewegung finden, sich immer wieder vom Kontakt lösen, nur um ihn dann wieder neu zu finden/aufzubauen. Obwohl – eigentlich fühlt es sich nicht an, als ob der Kontakt dabei verloren geht, er hat nur irgendwie während der Bewegung die zweite Priorität, wohingegen die Bewegung, sobald es um den Kontakt geht, eher zweitrangig ist. Keine Ahnung ob das alles so richtig ist und ich es in die richtigen Worte fasse, aber um es mit Nevelius´ Worten zu sagen: „Sometimes it works, sometimes it doesn´t…“ (*mitdenschulternzuck*)
Zu Kontakt hatte ich in dem Interview mit Jan Nevelius, Jorma Lyly und Frank Ostoff im Aikidojournal noch gefunden, dass man Kontrolle eigentlich nur dann braucht, wenn man den Kontakt verloren hat. Bei Aikido aber natürlich im Leben auch. So lange man mit etwas/jemand in Kontakt ist, kann man genau spüren, was vor sich geht und kann darauf reagieren. Man muss nicht kontrollieren. Für mich hat Kontrolle mit Zwang zu tun. Nun ja, wenn ich so zurückdenke, dann ging in meinem Leben meist genau dann eine Menge schief, wenn ich versuchen wollte, die Dinge zu kontrollieren oder etwas zu erzwingen, anstatt zu spüren was passiert und darauf adequat zu reagieren. Verliert man den Kontakt, kann man entweder kontrollieren oder (wie Zoran gestern Abend Saotome zitierte:) „If you loose relation, make a new one.“
Rein technisch passt das natürlich auch gut zu dem was Martin immer sagt: nahe am Partner dran bleiben, dann weiß man auch, was er vor hat.
Sonja
PS: Anderes Thema, aber zu Ki gibt es bei Aikiweb gerade einen interessanten thread.
Your body is filled with something soft
September 23, 2007
Das ist die beste Beschreibung für die richtige „Körperspannung“ (dieses Wort an sich trifft die Sache ja auch nicht wirklich)bei Aikido die ich bisher gehört habe. Nicht nur das wird mir vom Lehrgang mit Jan Nevelius, 6. Dan Aikikai, in Frankfurt in Erinnerung bleiben. Mein Körper fühlt sich angenehm bearbeitet an und in meinem Kopf herrscht das übliche Post-Lehrgangs-Rauschen. Über die letzten drei Tage hätte ich mir oft ein internes Diktiergerät in meinem Kopf gewünscht, so viel habe ich gehört, gesehen und gefühlt, was ich mitnehmen und weiter in meinem Kopf, Körper und Herz hin- und herbewegen möchte.
Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel, dass ich trotz Zwei-Zimmer-Wohnung ein Haus und sogar einen Garten habe 🙂 Dass sich in mir Bogen und Pfeil vereinen. Und dass es einen Hello-Point gibt.
Nachdem ich mich in den letzten Monaten recht viel mit dem Thema Kontakt auseinandergesetzt hatte, war ich gespannt, ob ich bei diesem Lehrgang herausfinden würde, dass ich mit dem, was ich bisher zu dem Thema verstanden zu haben glaube, total falsch lag oder nicht. Ich habe dann schnell gemerkt, dass es noch seeeehr viel zu dem Thema zu lernen gibt (was mich nicht überrascht hat), dass ich aber bisher wohl auch nicht ganz auf dem Holzweg war (was mich gefreut und etwas beruhigt hat). Sehr schnell wurde mir klar, dass Kontakt sehr viel subtiler sein kann, als ich das kenne und eine echte Herausforderung für mich war es, meinen Körper als Uke so weich und empfänglich zu machen wie möglich, um diese subtilen Dinge in Nage wahrzunehmen. Besonders natürlich wenn ich Nevelius Sensei angreifen durfte.
Das ganze hat in mir eine unheimliche Neugier geweckt, die ich immer auf Lehrgängen bekomme, wenn da etwas passiert, von dem ich offensichtlich maximal die Hälfte verstehe und noch weniger nachmachen kann. Diese Neugier macht mir diebischen Spaß. Seit einiger Zeit öffnen sich für mich innerhalb meiner kleinen Aikido-Welt immer neue Türen, die mir Einblicke in andere Welten geben. Jeder ist etwas anders, hat aber auch immer etwas mit den anderen gemein. Und die meisten machen Lust auf mehr und sind unheimlich spannend. Sonst bin ich ja eher ein Gewohnheitstier und auch in Bezug auf Aikido hat mir alles Neue eine Zeit lang auch irgendwie etwas Angst gemacht. Aber mittlerweile fühle ich mich eher wie ein Kind, das langsam laufen lernt und so anfängt, vom eigenen Zuhause aus die Welt um sich herum zu erforschen.
Eine Idee die mir nicht absolut neu ist, mir aber so klar wie dieses Wochenende noch nicht vor Augen geführt wurde, war die Wichtigkeit der inneren Haltung und des Geistes für Aiki. Jan Nevelius konnte das wirklich gut beschreiben und hat immer wieder gute Bilder und Worte gefunden um zu vermitteln, was er damit meint. Nicht nur die Sache mit dem „weichen Zeug in meinem Körper“ hat mir dabei geholfen, mir diese wirklich schwierig umzusetzende Geschichte körperlich und gedanklich vorzustellen, auch Sätze wie „what can *I* do to change the situation“ oder das Bild der inneren Röhre und des Steins der in ihr hinabfällt, fand ich sehr anschaulich. Auch wenn das, was ich am Wochenende versucht habe umzusetzen unheimlich schwer ist (zumindest für mich), hat Nevelius doch gute Werkzeuge zur Hand, um es so leicht wie möglich zu machen. Das ist eine der Qualitäten eines guten Lehrers, wie ich finde.
Auch zum Thema Ukemi hat er viel gesagt, was ich auch richtig prima fand. Bisher fand ich es meist schwierig Anfängern zu erklären, wie man Kontakt hält, ohne so viel/durchgängig Kontakt zu halten, dass Nage gar nicht erst in die Bewegung/Technik kommt. Nevelius wurde nicht müde zu erklären:“ Now it´s Ulli, now it´s the line of action, now it´s Ulli again, now it´s the line of action.“ Interessanterweise schien es mir, als passe genau das zum Thema meines letzten Blog-Eintrags, nämlich dazu, dass es Harmonie nur geben kann, wenn es zwei Pole gibt, zwischen denen Harmonie überhaupt erst entstehen kann. Als Uke muss ich also einerseits Kontakt herstellen, mich andererseits aber auch von Nage lösen können. Um wieder zum Kontakt zurückzukehren. In meinem Körper hatte ich das größtenteils glaube ich schon verstanden und jetzt habe ich die passende Erklärung dazu bekommen. Spannend!
Es gibt noch so viel mehr fetszuhalten von diesem Lehrgang, für heute schließe ich erst mal den Bericht mit einem Danke an die vielen netten Leute in Frankfurt. Die Stimmung des Lehrgangs war für mich persönlich unheimlich gut und ich habe mich sehr wohl gefühlt und einige neue Aikido-Freundschaften schließen dürfen. Auch das macht einen Lehrgang zu einem wirklich guten Lehrgang.
Sonja
Spielen
August 8, 2007
Gestern bei Martin im Training haben wir gegen Ende Kaeshi Waza geübt und zu Beginn, als ich mit Oli trainierte, haben wir ein bisschen mit diversen Henka Waza rumgespielt. Dabei ist mir eine wichtige (wenn auch eigentlich offensichtliche) Erkenntnis über beide gekommen.
Um Kaeshi und Henka Waza richtig üben zu können, sind natürlich gutes bzw richtiges Ukemi gefragt – mehr denn je. Es kommt vor, dass Uke, sobald sich eine Öffnung in der Technik bietet, sofort mit Kraft kontert. Mir passiert das auch. Interessant daran ist, dass dies zeigt, dass man die Kraftlosigkeit noch nicht verinnerlicht hat. Und ich frage mich, in wie weit sich dabei auch das altbekannte Tier mit Namen „Siegeswillen“ zeigt, das in solchen Situationen instinktiv sein Haupt erhebt. Immerhin sind wir ja Teil der Evolution und daher sind solche Instinkte tief im Mensch-Sein enthalten. (Jaja, schon gut, lassen wir die Philosophie auch heute mal beiseite und kommen zur Technik zurück…) Jedenfalls habe ich gemerkt, wie – sobald Uke mit Kraft reagiert und versucht, durch diese die Technik zu blockieren – genau das passiert: ein Block. Der Fluss stoppt. Sofort. Und Uke verbaut sich selbst dadurch die Möglichkeit von Kaeshi Waza. Und er (bzw sie, hähä 🙂 ) verbaut Nage auch die Möglichkeit, in eine andere, passendere Technik zu gehen (Henka Waza). Um Kaeshi Waza zu üben, muss der Fluss aber immer aufrecht erhalten werden und beide – Nage und Uke – müssen weich bleiben, Kontakt halten und die sich bietenden Öffnungen wie Wasser nutzen, das durch eine Ritze im Boden fließt, anstatt wie ein Brecheisen.
Ich denke, Kaeshi Waza (und auch Henka Waza) schulen eben dadurch das Weich-Bleiben und die Aufmerksamkeit dafür, wann man ohne Übergang in eine andere Technik gehen kann oder die „Rollen tauschen“ kann. Und sie schulen Ukemi, denn nur wenn ich als Uke mich immer wieder neu auf Nage ausrichte, mein Fokus auf Nage bleibt, etc., kann ich die sich eventuell bietende Chance einer Kontertechnik erkennen und ohne Kraft nutzen. Vor diesem Hintergund möchte ich hier nochmal den Clip reinstellen, den wir schon mal im Newsletter hatten. Ich finde, er passt sehr gut:
http://www.youtube.com/watch?v=wMvbovk1XIE
For my own records: Habe gestern mit Bernd die Kobayashi-Version von Nikkyo geübt (Ellbogen nach unten und Richtung Ukes Zentrum führen), über die Zoran neulich gesprochen hat, und sollte mir das merken 🙂 Hat wunderbar geklappt.
Sonja
1:1 und doch kein Fußball
Juli 24, 2007
Das Training gestern Abend hat mich innerlich wirklich etwas von den Socken gehauen, und das nicht nur, weil dabei Sätze vom Wochenende aufgetaucht sind, an die ich mich schon gar nicht mehr erinnern konnte (und ich hätte auch nicht gedacht, dass Ben sich noch daran erinnern könnte) 🙂 Ich hätte mir gestern abend gewünscht, dass jemand meine Gedanken während des Trainings in meinem Kopf notiert, damit sie mir nicht gleich wieder entfallen… Für sowas ist so ein Blog dann ganz nützlich, denn da kann man bzw ich dann diese Gedanken festhalten.
Ich bin immernoch am Herumdenken um Atteru und Kontakt. Auch gestern haben wir das gegen den Angriff ai hanmi geübt. Und plötzlich trafen Atteru und die Idee eines gemeinsamen Mittelpunktes zusammen. Na klar – zwei Energien treffen aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander. Der Konflikt findet in der Mitte statt, also dort, wo sich die Energien gegenüberstehen und wo sie sich berühren. Um diese Mitte herum muss die Konfliktlösung passieren. Das macht Sinn im technischen und im philosophischen Kontext. Toll, wenn man von Dingen, die man auf einem Lehrgang vor fast einem halben Jahr gehört hat, noch so lange zehren kann – in diesem Fall von dem, was Jorma Lyly in Herrenberg erzählt hat.
Und noch etwas fiel an seinen Platz (wie man auf englisch so schön sagt). Auch Jules erwähnte am Wochenende, dass man beim Anlehnen sein eigenes Zentrum ein kleines bisschen aufgeben muss. Lyly hatte das in Herrenberg auch erwähnt. Erst hatte ich das nicht kapiert. Wieso soll ich als Nage mein Zentrum aufgeben?! Ist doch irgendwie hirnrissig. Aber mittlerweile habe ich das überdacht und stimme absolut zu. Wenn wir von „Anlehnen“ sprechen, dann geht es (egal ob Nage oder Uke) ja nicht darum, sich so weit aus dem eigenen Zentrum zu begeben, dass man – würde der andere plötzlich loslassen – umfallen würde. Sondern es geht darum, Kontakt aufzunehmen, dem anderen entgegen zu kommen, aber ohne dabei das eigene Zentrum zu verlieren. Im Atteru-Artikel spricht der Autor davon, dass Endo Sensei, wenn er ohne Atteru angegriffen wird, erst mal Uke „wegschiebt“ und so durch sein eigenes Atteru Uke zeigt, dass er genau das auch tun muss.
Nicht nur Uke lehnt sich an. Auch Nage muss das tun. Sonst geht der Kontakt nur in eine Richtung. Vielleicht kann man sogar so weit gehen zu sagen, dass man nur dann echten Kontakt zurückbekommt, wenn man ihn selbst auch gibt. Auch im übertragenen Sinn würde das Sinn machen. Jede menschliche Beziehung, egal ob freundschaftlicher, geschäftlicher oder romantischer Art, ist eine Kontaktaufnahme. Wenn beide bereit sind, sich anzulehnen – also Kontakt aufzunehmen und so die Sicherheit des eigenen Zentrums bzw des eigenen Standpunktes für einen Augenblick zumindest zu überdenken – dann kann man sich in der Mitte treffen. Das bedeutet für mich nicht, dass es darum geht, faule Kompromisse zu treffen (Terry Dobson nennt dies „0-0-Ergebnisse“, bei denen beide Seiten weder gewinnen noch verlieren; im Gegensatz zu 1-0-Ergebnissen, bei denen einer gewinnt und der andere verliert – das denkbar schlechteste Ergebnis bei einem Konflikt. Das optimale Ergebnis ist ein 1-1-Ergebnis, auch wenn die Fußballer unter uns sowas natürlich nicht gerne hören…). Mal ehrlich – wann sind wir in einem Konflikt denn schon 100%ig im Recht? Und was bedeutet das überhaupt, im Recht zu sein? In 99% der Fälle sind wir doch irgendwie am Entstehen eines Konfliktes beteiligt, wenn auch oft ungewollt oder unbewusst. Deshalb scheint es mir nur sinnvoll, die eigene Rolle in einem Konflikt zu überdenken und zumindest zu versuchen, den Standpunkt des anderen nachvollziehen zu können.
Techniken haben immer einen Mittelpunkt, der zwischen Uke und Nage liegt. Um diesen Mittelpunkt dreht sich alles. Wie im Universum. Interessanterweise ist ja jeder gedachte Punkt des Universums auch dessen Mittelpunkt (ich hoffe ich habe im Physikunterricht richtig aufgepasst). Auch wir leben jeder von uns in einer eigenen kleinen Welt um die herum sich alles andere dreht. Wenn man den Drehpunkt zumindest mal zwischen sich und die anderen verlegen kann, anstatt sich selbst als Nabel der Welt zu betrachten, muss das doch mal im ganz Kleinen ein guter Anfang sein, um die Menschheit zu vereinen, so wie O-Sensei sich das gedacht hat. Zumindest theoretisch.
Sonja